Wenn uns der Freud kratzt
Von Claudia Aigner
Er kennt nicht nur den I-Punkt (na gut, den kennt er bloß vom
Hörensagen, denn sein I hat ja gar keinen Punkt), er kennt auch den
G-Punkt. Aber den dafür höchstpersönlich. Äh . . . , dass mir das jetzt
bitte keiner falsch versteht. Der Drago Prelog hat von ihm, von besagtem
Punkt, lediglich so etwas wie einen Lageplan (oder ein Porträt?)
angefertigt: ein roter Punkt in der Mitte eines unverdächtigen Kreises.
Und dieses Pünktchen da drin ist nun der kleine Unterschied. Natürlich der
Unterschied zwischen einem O und einem G. (Was haben Sie denn geglaubt?)
In Prelogs ganz persönlichem, subjektivem Alphabet nämlich. Das trotzdem
von A bis Z geht. (Um etwaige Missverständnisse auszuräumen: Der
Punkt, den man gemeinhin nach jenem Buchstaben nennt, der nach dem F
drankommt, ist nun aber nicht das diakritische Zeichen in der weiblichen
"Orthographie".) So. Drago Prelog (die Galerie Exner, Rauhensteingasse 12,
leiht ihm noch bis 10. Jänner 2004 ihre Wände) hatte schon immer ein
Naheverhältnis zur Schrift. Und zur körperlichen Ertüchtigung. Für sein W,
das aber auch andere entziffern können, verbeugt er sich zum Beispiel
zweimal mit dem Pinsel vor der Leinwand (oder waren es Kniebeugen?).
Wurscht. Eine seiner speziellsten Spezialitäten: die "Umlaufbilder".
Und er bewegt sich doch. (Daran ist jetzt aber wirklich nichts
Unanständiges.) Prelog ist da der treue Trabant seiner hingelegten
Leinwände, während er sich mit einer Art farbgefüllten Spritze auf einer
Umlaufbahn um sein Werk befindet und quasi die Zeit aufzeichnet, die dabei
vergeht ("Meine Vorstellung von Zeit ist die einer fortlaufenden Linie").
Man könnte aber auch sagen: Er absolviert ganz allein ein Formel-1-Rennen,
aber zu Fuß - und daheim im Atelier. Und schreibt seine gedrehten Runden
live auf der Leinwand mit. Dennoch heißt keines seiner Umlaufbilder (nicht
einmal das komplett rote) "Schumi im Ferrari". Das Schöne am Prelog:
Er bleibt nicht stehen. Er läuft und läuft und läuft, und sein
Bewegungstrieb hält bis zu viermal länger als herkömmliche
Zink-Kohle-Batterien. Schmarren. Ich meine selbstverständlich: Er gibt
sich nicht mit bloß einem "typischen" Prelog zufrieden. Da gibt es den
skripturalen Prelog, den "Umläufer", den, der Drachen häutet (na ja, der
halt schaurigschöne reptilische Farbhäute auflegt), und bei ein paar
Leinwänden steht sogar auf einer Seite jenes Stück Anatomie heraus, das
wir bei anwesenden Blähungen verfluchen: die Nase. (Wolfgang Exner: "So
schöne Bilder - aber mit Nase kauft's keiner.") Eine Spinne, die
strickt und nicht webt, noch dazu mit dem Bleistift? So ähnlich. Michaela
Math hat einen Raum der Galerie König (Schleifmühlgasse 1) mit
bewundernswerter Ausdauer mit gezeichneten Strickmaschen überzogen. (Bis
20. Dezember.) Darin haben sich ihre Bilder verfangen. Etwa ruhige,
nächtliche Seelandschaften, die nach Mehr aussehen, nämlich suggestiv
tiefenpsychologisch. Womöglich durchtränkt sind vom Es, jener ominösen
Stelle im Menschen, wo einen der Freud kratzt, wenn es juckt (oder so).
Eine disziplinierte, solide Zeichnerin.
Erschienen am: 12.12.2003 |
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