Besprechung
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7/82002
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Sabine B. Vogel :  Bekannt ist Adrian Piper für ihre Installationen, Fotografien und Wand-Collagen, in denen sie provokant gegen Rassismus, Xenophobie und Ignoranz kämpft. Diese Werke sind jetzt in der grossartigen Retrospektive in der Generali Foundation, Wien, ausgestellt – zusammen mit kaum bekannten psychedelischen Gemälden und einigen konzeptuellen Werken der sechziger Jahre.

Adrian Piper in der Generali Foundation

  
Adrian Piper · Forget It, 1991, Offset Lithografie, Artforum Projekt (zurückgezogen), Courtesy Adrian Piper und Paula Coppe Gallery, New York

In Wien sind jetzt erstmals Pipers ‹Notebooks› aus den Jahren 1967–69 zu sehen, in denen sie Raum-Zeit-Verhältnisse untersucht. Den Schwerpunkt der Ausstellung allerdings bilden die Werke ab 1970, in denen Kunst und Politik zusammenkommen. Dazu gehören die Performances und Wand-Collagen, in denen sie ihre Stellung als Künstlerin, als Frau und als Schwarze thematisiert. Dazu gehören aber auch ihre philosophischen Schriften und ihre ‹Meta-Kunst›-Texte, die im ausführlichen Ausstellungskatalog erstmals in deutscher Sprache publiziert sind. Piper studierte von 1970–1981 Philosophie. Ende der siebziger Jahre beschäftigte sie sich in Heidelberg zwei Jahre ausgiebig mit Kant – eine bis heute andauernde Auseinandersetzung. So schrieb sie Mitte der neunziger Jahre ‹Eine kantische Analyse der Xenophobie› und thematisiert immer wieder ‹Die Struktur des Selbst›, unter anderem in der Werkserie ‹Decide Who You Are›, 1992. In der Kombination der drei Affen, die sich Mund, Ohren und Augen zuhalten, mit Schwarz-weissfotografien und Texten gibt sie im Part #6 eine Anweisung ‹How To Handle Black People› – ein Plädoyer für Offenheit, Aufmerksamkeit und Respekt. Die drei Affen bilden auch den Ausgangspunkt eines der Bildelemente in der ‹Color Wheel Series›, die Piper auf der ‹Documenta 11› zeigt. Diese Serie unterscheidet sich zunächst auffallend von ihrem bisherigen Werk, das in exemplarischer Weise visuelle und sprachliche Beziehungen zwischen Persönlichem und Politischem herstellt. Konkrete Bilder und Situationen dienen der programmatischen Forderung, sich der Wirklichkeit zu stellen. Dazu bedient sie sich der Methode, die Betrachter in eine physisch unausweichliche Konfrontation mit sehr emotionsgeladenen Bildern und Texten zu versetzen, – ‹indexikalische Gegenwart› nennt es die Künstlerin. ‹What It’s Like, What It Is, #3›, 1991, ist ein quadratischer weisser Raum mit Tribünen-Architektur und Spiegelband. In der Mitte ist ein Pfeiler mit vier Monitoren – ein Schwarzer spricht ohne Unterbrechung Mengen von rassistischen Stereotypen aus. Eines der deutlichsten und beeindruckendsten Werke ist ‹King #2›, 1989, zwei vergrösserte Zeitungsfotografien. Über das Foto des erhängten Michael Donald steht in grossen Buchstaben ‹It’s not your fault…›. Über dem Porträt des Gelynchten steht ‹But it’s your responsibility›. Dieses Werk trifft den Kern, denn Piper kämpft vor allem gegen Ignoranz. In der ‹Color Wheel Serie› greift sie jetzt das Thema mit Crossculture-Symbolen im Ganzen an: Die drei Affen sind zu Menschen geworden. Darüber tanzt die Hindu-Gottheit Shiva im Feuerrad. Shiva gilt als der Zerstörer der Illusion, der den Weg zum klaren Blick auf die wahre Wirklichkeit zeigt. Die drei Affen stehen dafür, das Böse zu vermeiden. Darin entziehen sie sich aber auch der Wirklichkeit und das ist eine Haltung, die Piper massiv kritisiert. Über den drei Figuren liegen Fadenkreuze, die auf die Stirn zielen – ‹Im Yoga ist dieser Punkt ein bestimmter Shakra, auf den sich die Konzentration versammelt, denn hier öffnet sich der Verstand› (A.P.). In extremer Komplexität zeigt sich hier eben jenes Thema, das Pipers aussergewöhnliche Qualität ausmacht: der klare Blick auf die Wirklichkeit, ohne Illusion, mit Entsetzen, voller Sinnlichkeit.
Bis 18.8.


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Ausgabe 7/8  2002
Institutionen Generali Foundation [Wien/Österreich]
Autor/in Sabine B. Vogel
Künstler/in Adrian Piper

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