VON CHRISTA DIETRICH E-MAIL:
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Bregenz, Wien (VN) Touristenpfade sind
zwar ausgetreten, sie bieten mitunter aber wunderschöne Ausblicke.
Ein Berg mit sieben Fenstern wird Madeira-Besuchern angekündigt. Man
fährt durch einen Tunnel und blickt durch sieben in den Stein
gehauene Löcher hinunter zum tiefblauen Atlantik. Kein Beton, keine
eckigen Säulen. Bei Margherita Spiluttini ist das anders.
Die anerkannte Architekturfotografin hat sich in die
Alpen begeben. Nicht zu Fuß auf kleinen Wanderwegen, sondern
dorthin, wo sich mächtige Straßen die Hänge hinauf- ziehen, wo
Kehren mit dicken Betonsäulen abgestützt werden, wo Berge geradezu
durchfurcht wurden.
Wie kamen die Fenster in den Berg? Wer vom Schiff aus die
Nordküste von Madeira an der Stelle der sieben Fenster erblickt, mag
davon ausgehen, dass sie von der Natur geschaffen wurden, wie Höhlen
sehen sie aus. Ein Blick auf die Flexenstraße im Arlberggebiet
schließt Gedanken an irgendwelche Naturphänomene umgehend aus. Der
Gebirgszug wurde der Länge nach aufgeschnitten, zurück blieb eine
Operationsnaht, schön gleichmäßig Stich für Stich ausgeführt: Säule
für Säule ist die Landschaft durchtrennt.
Spiluttini, die in Österreich und in der Schweiz unterwegs war,
hat allerdings nicht Anklage erhoben. Selbst das mächtige
Lüftungsbauwerk an der Arlbergstraße, das in der Natur wie ein
Bunker auftaucht, hat auf dem Foto auch einen ästhetischen Reiz.
Gratwanderung
Eine gefährliche Gratwanderung, die Spiluttini da
unternimmt. Andererseits gibt man der Fotografin Recht. Eingriffe in
die Natur generell als Verletzungen darzustellen, hat etwas von
jener Wirklichkeitsverweigerung, die jene Fotografen anstellen, die
uns nur die heile Welt mit klaren Gebirgsseen, fetten Almwiesen und
nebelverhangenen Hochebenen vorschwindeln.
Spiluttini zeigt auf, sie wählt den Blickwinkel freilich im
Hinblick auf die klassische Bildteilung mit Spannung erzeugenden
Diagonalen und Horizontalen, erliegt aber nie der Versuchung das
Monumentale zu betonen. Auch dann nicht, wenn die Trasse der
Gotthardbahn so in den Berg dringt, als habe der Mensch eben die
Natur bezwungen. Spiluttini erweist sich gelegentlich aber auch als
Bildhauerin mit der Kamera. Die Furkapassstraße mit ihren
abgestützten Kehren verschmilzt auf dem Bild so mit dem Hang, als
hätten hier Natur und Mensch gemeinsam eine Skulptur geschaffen.
Die Architektin Elsa Prochazka (unter anderem verantwortlich für
das Jüdische Museum in Hohenems) hat mit den Bildern von Margherita
Spiluttini nun eine Ausstellung im Technischen Museum in Wien
gestaltet. Sie ist bis 22. September geöffnet.
Bildband erhältlich
Dazu wurde vom Museum sowie von der Edition Fotohof
Salzburg ein Bildband herausgebracht. Neben den wesentlichen
Aufnahmen dieser Serie enthält er auch Texte der Schriftstellerin
Ilse Aichinger, des Architekturtheoretikers Friedrich Achleitner und
des Historikers Wolfgang Kos.
Die Grimselpassstraße. (Foto: Margherita
Spiluttini, Technisches Museum)