VN Sa, 30.3.2002

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Wie kamen die Fenster in den Berg?

Die Architekturfotografin Margherita Spiluttini auf Passstraßen und Steinbrüchen

VON CHRISTA DIETRICH E-MAIL: DIETRICHC@VOL.AT

Bregenz, Wien (VN) Touristenpfade sind zwar ausgetreten, sie bieten mitunter aber wunderschöne Ausblicke. Ein Berg mit sieben Fenstern wird Madeira-Besuchern angekündigt. Man fährt durch einen Tunnel und blickt durch sieben in den Stein gehauene Löcher hinunter zum tiefblauen Atlantik. Kein Beton, keine eckigen Säulen. Bei Margherita Spiluttini ist das anders.

Die anerkannte Architekturfotografin hat sich in die Alpen begeben. Nicht zu Fuß auf kleinen Wanderwegen, sondern dorthin, wo sich mächtige Straßen die Hänge hinauf- ziehen, wo Kehren mit dicken Betonsäulen abgestützt werden, wo Berge geradezu durchfurcht wurden.

Wie kamen die Fenster in den Berg? Wer vom Schiff aus die Nordküste von Madeira an der Stelle der sieben Fenster erblickt, mag davon ausgehen, dass sie von der Natur geschaffen wurden, wie Höhlen sehen sie aus. Ein Blick auf die Flexenstraße im Arlberggebiet schließt Gedanken an irgendwelche Naturphänomene umgehend aus. Der Gebirgszug wurde der Länge nach aufgeschnitten, zurück blieb eine Operationsnaht, schön gleichmäßig Stich für Stich ausgeführt: Säule für Säule ist die Landschaft durchtrennt.

Spiluttini, die in Österreich und in der Schweiz unterwegs war, hat allerdings nicht Anklage erhoben. Selbst das mächtige Lüftungsbauwerk an der Arlbergstraße, das in der Natur wie ein Bunker auftaucht, hat auf dem Foto auch einen ästhetischen Reiz.

Gratwanderung

Eine gefährliche Gratwanderung, die Spiluttini da unternimmt. Andererseits gibt man der Fotografin Recht. Eingriffe in die Natur generell als Verletzungen darzustellen, hat etwas von jener Wirklichkeitsverweigerung, die jene Fotografen anstellen, die uns nur die heile Welt mit klaren Gebirgsseen, fetten Almwiesen und nebelverhangenen Hochebenen vorschwindeln.

Spiluttini zeigt auf, sie wählt den Blickwinkel freilich im Hinblick auf die klassische Bildteilung mit Spannung erzeugenden Diagonalen und Horizontalen, erliegt aber nie der Versuchung das Monumentale zu betonen. Auch dann nicht, wenn die Trasse der Gotthardbahn so in den Berg dringt, als habe der Mensch eben die Natur bezwungen. Spiluttini erweist sich gelegentlich aber auch als Bildhauerin mit der Kamera. Die Furkapassstraße mit ihren abgestützten Kehren verschmilzt auf dem Bild so mit dem Hang, als hätten hier Natur und Mensch gemeinsam eine Skulptur geschaffen.

Die Architektin Elsa Prochazka (unter anderem verantwortlich für das Jüdische Museum in Hohenems) hat mit den Bildern von Margherita Spiluttini nun eine Ausstellung im Technischen Museum in Wien gestaltet. Sie ist bis 22. September geöffnet.

Bildband erhältlich

Dazu wurde vom Museum sowie von der Edition Fotohof Salzburg ein Bildband herausgebracht. Neben den wesentlichen Aufnahmen dieser Serie enthält er auch Texte der Schriftstellerin Ilse Aichinger, des Architekturtheoretikers Friedrich Achleitner und des Historikers Wolfgang Kos.

Die Grimselpassstraße. (Foto: Margherita Spiluttini, Technisches Museum)




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