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Kunstberichte
In den letzten Monaten sorgten Street-Art-Künstler in Filmen wie bei Auktionen international für Aufsehen

Kunst-Guerilla erobert Kunstmarkt

Ein klassisch 
kritischer Banksy in einem ungenutzten U-Bahntunnel im Rahmen des 
"The Cans Festivals" London. Foto: corbis

Ein klassisch kritischer Banksy in einem ungenutzten U-Bahntunnel im Rahmen des "The Cans Festivals" London. Foto: corbis

Von Christof Habres

Aufzählung Spannender Kampf zwischen anonymer Guerilla-Kunst und etablierter Kunstszene.
Aufzählung Banksy und Co als Symbole der Auflehnung gegen den Kunstmarkt.
Aufzählung Street-Art-Künstler erzielen Rekordsummen bei Auktionen.

London/Los Angeles/Wien. Es geht Banksy an den Kragen. Nicht persönlich natürlich, aber eine Copyright-Klage des Schweizer Regisseurs Joachim Levy könnte dem Superstar der internationalen Street-Art-Szene einen seiner bedeutendsten Vorzüge berauben: den der Anonymität seiner Kunstfigur. Der Schweizer behauptet, Banksy habe für seinen ironischen Dokumentarfilm "Exit Through the Gift Shop" Szenen, die von ihm stammen, verwendet. Er habe ihn aber nicht im Nachspann des Films genannt. Nun ist Levy in seiner Künstlerehre gekränkt und möchte die Namensnennung und finanzielle Entschädigung gerichtlich durchsetzen. Was bedeutet, dass Banksy als Angeklagter persönlich zu erscheinen hat.

Ist diese Geschichte nun wahr oder ein weiterer Teil der Selbst-Inszenierung des anonymen Künstlers? Bei dem fast nach Shakespeare’scher Art die ganze (Kunst-)Welt eine Bühne ist und alle ihre Schauspieler? Denn der Kinobesucher dieser Dokumentation wird von Banksy, in seiner Kritik am zeitgenössischen Kunstgeschehen und dessen Marktmechanismen, auf mehreren Ebenen in die Irre geführt.

Anonym verfasste öffentliche Zeitkritik aus Spraydosen

Dass Banksy ein Landsmann Shakespeares ist, aus Bristol stammt und zwischen 1970 und 1974 geboren sein dürfte, sind einige der wenigen bekannten, wenn auch vagen Fakten über ihn. Seit mehr als einer Dekade überrascht er weltweit mit seinen pointierten, ironischen und oft zeitkritischen Arbeiten die Öffentlichkeit. Immer wieder taucht er in verschiedenen Städten auf, hinterlässt seine wiedererkennbaren Arbeiten (seine Markenzeichen, wie die Ratte) und verschwindet.

Legendär sind seine Arbeiten, die er an der Mauer zwischen Israel und der West-Bank hinterlassen hat – ein künstlerisches Manifest der Anklage, aber auch der Hoffnung. Dabei ist Banksy einer von vielen Künstlern, die sich der Street-Art – dazu zählt man die gesprayten Graffiti, Malereien, aufgekleisterte Tapeten bis hin zu Mosaiken im öffentlichen Raum – als künstlerischen Ausdruck bedienen. Und beileibe sind sie auch nicht die Ersten. Die beiden prominentesten Vertreter, die noch im kollektiven Gedächtnis als Vorkämpfer der Street-Art verankert sind, sind Keith Haring und Jean-Michel Basquiat. Beide wurden Anfang der 1980er Jahre in New York durch ihre Graffiti zu gefeierten Stars. Von Andy Warhol und renommierten Galeristen wurden sie protegiert und ausgestellt. Sie schafften es 1982 sogar zur documenta 7 nach Kassel, der nur alle fünf Jahre stattfindenden inoffiziellen Weltmeisterschaft des Kunstgeschehens.

Was sich diese beiden Künstler – im Gegensatz zu den heute agierenden Street-Art-Künstlern – nicht vornehmlich auf ihre Fahnen geheftet haben, war eine substanzielle Kritik am Kunstgeschehen und an den Kunstmarktmechanismen. Sie wurden beide mit ihren markttauglichen Arbeiten, meist Malereien, Drucken und Collagen, in großen Galerien und bei Kunstmessen gezeigt, bekamen von Politikern Wände für "Kunst im öffentlichen Raum" Projekte zur Verfügung gestellt und waren professionell in der Positionierung ihrer Arbeit und Person. Leider starben beide Künstler viel zu früh – Haring 1990 an Aids, Jean-Michel Basquiat 1988 an einer Überdosis –, als dass sie miterleben konnten, in welche Sphären die Preise ihrer Werke klettern würden. Da kann es schon passieren, dass 2007 eine Arbeit von Basqiuat für fast 15 Millionen US-Dollar ersteigert wird. Es ist kein Wunder, dass sich schon in den 1980er-Jahren gefinkelte Menschen im Big Apple daran machten, Wände oder Garagentüren mit den bekannten Signets Baquiats "SAMO" abzumontieren und zu konservieren versuchten. Ein meist eher diffiziles Unterfangen, damals wie heute.

Wiens Ruf als Banksy-Killer mit dem Hochdruckstrahler

Arbeiten von Banksy und seinen Kollegen, wie Shepard Fairey, Swoon, Buffmonster oder der Franzose Invader, sind ebenfalls durchwegs gesuchte Sammlerobjekte – sowohl als Original auf der Oberfläche, auf der es gesprayt wurde, aber auch als Reproduktion. Viele Street-Art-Afficionados schätzen sich schon glücklich, wenn sie einen Aufkleber von Mister Brainwash oder ein kleines Space-Invader-Mosaik von Invader ergattert haben. Nur in Wien geht man andere Wege: Da wurden 2010 tatsächlich Banksy-Graffiti mit Hochdruckreinigern vernichtet. Was einen Sturm der Entrüstung im Internet auslöste und Wien zum "Banksy Killer" wurde.

Unweigerlich stellt man sich jedoch die Frage, wie diese Kunst-Guerilla, die am Rande der Legalität arbeitet, mit ihren ausgefallenen Decknamen zu einem finanziellen Background kommt, der es ihr ermöglicht, weltweit in Metropolen oder bei Festivals ihre künstlerischen Spuren zu hinterlassen, wenn ihr der Kunstmarkt egal ist? Da bieten sich mehrere Möglichkeiten an: zeitweise andere Jobs erledigen oder sich bei kunstnahen Produktionen (CD-/ Plattencover oder Konzertposter) ein finanzielles Polster verdienen. Die Solidarität innerhalb der Street-Art-Community ermöglicht weiters günstiges Reisen und Übernachtungen im Familienverband. Aber natürlich muss dieses romantische Bild zeitgenössischer Robin Hoods der internationalen Kunstszene, die durch ihr öffentliches Tun Kunstbetrachtung für jeden ermöglichen, etwas zurechtgerückt werden: Die meisten dieser Künstler haben sich in irgendeiner Form mit dem Kunstmarkt arrangiert, liefern zum Teil in regelmäßigen Abständen Arbeiten bei Galerien ab, organisieren Ausstellungen.

Aber verkauft wird meist wieder an die bekannten Hauptdarsteller des Marktes: Sammler, Museen, Galerien und Auktionshäuser. Vor Banksys erster Ausstellungseröffnung mit dem sprechenden Titel "Barley Legal" in Los Angeles, in einem kurzfristig adaptierten Lagerhaus, standen abertausende Menschen Schlange und Sammler überboten sich gegenseitig beim Ankauf von Arbeiten. Wenn es möglich gewesen wäre, dann hätten sie auch den bemalten Elefanten gekauft, der Teil der Ausstellung gewesen ist.

Oder Shepard Fairey, dem 2008 mit seinem Schablonenporträt von Barack Obama mit dem Untertitel "Hope" ein nun weltbekanntes Meisterwerk gelang und zu einer bedeutenden Ikone des Wahlkampfs des jetzigen US-Präsidenten wurde. Das Original ist nun in der National Portrait Gallery der Smithsonian Institution in Washington D.C. ausgestellt. Der Marktwert seiner Arbeiten schnellte in die Höhe. Der kleine Rechtsstreit mit dem Fotografen des Bildes – eingefleischte Street-Art-Künstler haben es nicht so mit den Urheberrechten – Mannie Garcia wurde vor kurzem mit einem Vergleich beendet.

Ein Blick in die Kataloge jüngst vergangener und kommender Auktionen rund um den Globus zeigt, dass immer mehr Arbeiten dieser Künstler gehandelt werden. Wobei es natürlich mit der Provenienz Probleme geben kann, wenn der Künstler nicht unmittelbar greifbar ist. Anders ausgedrückt: Wie kann eine Arbeit von Banksy über einen langen Zeitraum – über sein Ableben oder Verschwinden hinaus – Bestand haben, wenn niemand weiß, wer dahintersteckt? Wird den Kunsthistorikern, Museumsdirektoren die Annahme genügen, dass es ein Werk dieses Künstlers ist?

Den globalen Kunstmarkt der Lächerlichkeit preisgeben

Deswegen muss dieser Boom mit Vorsicht betrachtet werden. Vielleicht ist Zurückhaltung angesagt, wenn wieder eine Arbeit von Banksy in einem Katalog wie folgt beschrieben wird: Spraytechnik, Lack auf Stahlkellerfenster. Denn unter Umständen schafft es dieser smarte Künstler tatsächlich, den zeitgenössischen Kunstmarkt mit all seinen undurchsichtigen Mechanismen und Seilschaften, wenn schon nicht auszuhebeln, dann doch der absoluten Lächerlichkeit preiszugeben.

Banksys Film könnte dabei der erste Schritt gewesen sein, denn bis dato ist noch nicht klar, ob der während des Streifens vom Dokumentarfilmer zum erfolgreichen Street-Art-Künstler mutierte Thierry Guetta (alias Mister Brainwash) nicht doch nur eine Erfindung Banksys ist. Ein geniales Doppelspiel sozusagen. Das Spiel "Bansky gegen den Rest der Kunstwelt" geht jedenfalls weiter.

Siehe auch:

Aufzählung Fotostrecke 'graffiti art' auf Wiener Zeitung Facebook

 

Printausgabe vom Dienstag, 18. Jänner 2011
Online seit: Montag, 17. Jänner 2011 17:09:00

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