Quer durch Galerien Von Claudia Aigner
Klingeltöne bald auch für Bananen?
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Dies ist "Die grässliche Tat einer Mutter" (oder eigentlich die
grässliche Tat des Curt Stenvert). Wenn das da Voodoo ist, hilft
dagegen nicht einmal eine Überdosis Aspirin. Galerie Lang
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Das ist ja grad so, als würde ein Gugelhupf klingeln und keiner geht
ran. (Oder er klingelt nicht und trotzdem geht einer ran an den Kuchen:
mit dem Messer.) Oder beim Mittagessen: Auf einmal vibriert die
Käsekrainer wie wild und wälzt sich im Senf, hat einen epileptischen
Anfall wie ein Handy, das gerade seine Vibra-Call-Funktion auslebt. Der
Mittagessende hebt mit der Gabel ab, indem er also die Wurst aufspießt,
führt das fettige, senfbesudelte Ding ans Ohr und fragt ins untere
Wurst-Ende hinein: "Hallo, wer spricht?"
Und wenn der Anruf für ihn ist, isst er die Krainer auf, im
andern Fall wahrscheinlich ebenfalls. Aber die meisten Leute
telefonieren ja immer noch mit den Fingern und nicht mit Messer und
Gabel. Freilich: Ein Telefonierbesteck, zumindest fürs Handy, könnte ja
ganz praktisch sein. Ein spezieller Fingerhut für den Daumen zum
Beispiel, der oben ganz spitz ist oder wenigstens dünn wie der kleine
Finger eines Säuglings. Also ein Adapter, der das Daumenkaliber
deutlich reduziert, damit fortan auch der erwachsene Finger beim Wählen
die Tasten punktgenau dawischt.
Galerie Lang: Telefonieren wie die Knusperhexe
Und die Bananen erst: Die sind vielleicht altvatrisch. Die
haben nicht einmal einen Klingelton. (Die kann man ja nicht ernst
nehmen.) Und das, obwohl sie so ergonomisch geformt sind wie ein
Telefonhörer und sich immerhin als Handys für Telepathen eignen würden
(die sich halt einfach irgendwo anhalten wollen beim paranormalen
Plausch, aus psychologischen Gründen). Oder als Prothese für
Selbstgesprächsteilnehmer, für Kommunikationsautisten.
Und es gibt noch immer kein Chiquita-Zubehör. Keine geilen bunten
"X-press-on-Hüllen", also Bananenschalen in trendigem Design zum
raschen Wechseln (am besten mit Reiß- oder Klettverschluss), und keine
von Chiquita autorisierte Freisprecheinrichtung zum Reinstecken ins
Fruchtfleisch. Ansonsten gelten aber die selben Sicherheitsrichtlinien
für Bananen wie für Handys: "Schälen Sie eine Banane nie, während Sie
fahren, weil durch das Entfernen beider Hände vom Steuer Gefahr
entstehen kann!"
Ein Lebkuchen stark wie ein Stier und hart im Nehmen
Bananen-Selbstgespräch-Handys hat Gert Linke zwar noch nicht
entwickelt, aber er hatte kulinarische Visionen von Telefonapparaten
fürs Festnetz. Und hat sie schon mal realistisch aus Gips gegossen.
Etwa die Knackwurst, die als Hörer auf den Erbsen liegt. Oder das
Jausentelefon, getarnt als Gugelhupf. Zugegeben: Das ist nicht extrem
originell. Aber es erinnert uns daran, dass Sprechen und Essen die
wesentlichsten oralen Praktiken der Menschheit sind. Und die Übergänge
zwischen Artikulation und Kautätigkeit sind ohnehin fließend (wie die
Übergänge zwischen dem Bananenverputzen im stillen Kämmerlein und einem
Selbstgespräch).
Das, was aussieht wie die Telefone der Knusperhexe (und die hat ja
sogar ihr Haus aus Lebensmitteln gebaut, aber wahrscheinlich wenigstens
in die Lebkuchenschindeln künstliche Konservierungsstoffe
hineingemischt, damit das Dach stark wird wie ein Stier und hart im
Nehmen ist), ist Teil einer kunterbunten Mischkulanz, die da heißt:
"Small is beautiful." Könnte genauso gut der Leitspruch der
Anti-Silikon-Liga sein (nein, der wäre ja: "Normal ist phänomenal")
oder die Parole, die zum Platznehmen am Stammtisch der sieben Zwerge
berechtigt. Lauter kleine Skulpturen stehen noch bis 22. Juli beim Lang
herum (Seilerstätte 16). Dass die meisten einen mehr oder weniger
diskreten ironischen oder anekdotischen Zug haben, macht sie irgendwie
sympathisch.
Götz Burys aufgedunsener Gummihandschuh: Da kann man nur
spekulieren. Wurde der als Luftballon missverstanden oder hat er eine
Identitätskrise und glaubt, er wäre eigentlich eine Wärmflasche und sei
bloß im falschen Gummikörper? Hat er eine Bienenallergie und wurde von
seinem Allergen gestochen? Oder ist er schwanger und wird in Kürze
eines Fußballes entbunden? Oder ist er schlicht die Frucht der Liebe
zwischen einer Putzfrau und einem Fußballspieler? Egal: Der Freak wurde
für die Nachwelt in Metall verewigt.
Zu viele Hutnadeln sind ja wirklich ungesund
Für die Zeit und die Menschen danach ist auch der "Gedenkstein": Ein
Marmorstück wie ein kleiner Altartisch, darauf eine Bierdose,
ausgequetscht wie eine Zahnpastatube. Zur ehrenvollen Erinnerung an den
Durst, womöglich einen autobiografischen Durst (wenn Richard Künz die
Aludose selbst, nämlich eigenlippig und eigenkehlig ausgetrunken hat).
Und hält man hier nun am Jahrestag des Durstes eine Schweigeminute ab?
Oder ein besinnliches Gedenkrülpsen?
Das unbehaglichste Stück der Schau ist wohl "Die grässliche Tat
einer Mutter" von Curt Stenvert . Ein Perückenkopf (Konfektionsgröße:
Kleinkind) oder meinetwegen ist’s eine Holzglatze für einen Hut,
gespickt mit eleganten Hutnadeln wie eine Voodoopuppe, wo ja jede Nadel
die gegenteilige Wirkung von Aspirin hat. Um den Hals der blutenden
Kopfattrappe gebunden: ein Beißring, mit dem sicher das Opfer selbst
seine Milchzähne geübt hat, sonst funktioniert die
Voodoo-Kindesmisshandlung ja nicht. Wenn die Nadelpuppe zu unpersönlich
ist.
Doch mein Favorit schlägt sie alle: mit seinem irritierend
aufwändigen Minimalismus und seiner eindrücklichen Verbindung von
mutwilligem Zerstören und reuevollem Reparieren. Ein Holzstück (einem
Elefantenhaxl nicht unähnlich) wurde da entzweigeschnitten, die eine
Hälfte gründlich gehäckselt, um die Bröseln danach wieder
zusammenzukleben und die ursprüngliche Form wiederherzustellen. Hätte
Robert Puczinsky einen Bleistift halbert weggespitzt und ihn dann aus dem Abfall rekonstruiert, wäre das nicht so imposant gewesen.
Suppan Contemporary:
Fertiggerichte zum Aufsetzen
Ein Szene-Coiffeur würde einen Busch anders schneiden als ein
Gärtner. Frisiert Mao Tongqiang (1960 in China geboren) die androgynen
Köpfe in seinen Bildern jetzt aber eher wie ein Damen- oder wie ein
Botanik-Friseur? Die Haare wuchern jedenfalls in angeberischer Fülle
und extravaganter Wildheit wie englische Gärten (häuslich gesprochen:
englische Topfpflanzen). Nur dezent "domestiziert". Mit Haarspray
eventuell. Topfpflanzen mit Dauerwelle und in schrillen Farben. Und
eigentlich sind es Perücken, also jene Fertiggerichte zum Aufsetzen,
die man nicht jeden Tag nach dem Aufstehen frisch zubereiten muss.
Reizvoll ist er schon, der Kontrast zwischen den blassen, subtil
gemalten Gesichtern und dem lauten, expressiven Haar mit
Imponiergehabe. Und die Farbdisziplin auch, mit den bewusst gesetzten
Akzenten, wobei die Augen farblich auf die Perücken abgestimmt sind.
Augen wie mit Nagellack angepinselt. Die Frisuren sind allerdings nicht
so fantasievoll und individualistisch wie sie sein könnten. Bis 25.
Juli im Suppan Contemporary (Habsburgergasse 5).
Freitag, 15. Juli 2005