Salzburger Nachrichten am 9. Juli 2005 - Bereich: kultur
Stadt aus Energie Für das Wiener Museum für
Angewandte Kunst hat der US-Architekt Lebbeus Woods die Zukunft Wiens
skizziert: Sein Projekt will das Energie-system der Stadt aufwirbeln.
ANNE ISOPPWIEN (SN). "Der Gedanke, dass die Zentren der alten
europäischen Hauptstädte eines nach dem anderen zu kulturellen
Freizeitparks für den Tourismus werden, ist mir zutiefst verhasst", sagte
Lebbeus Woods aus Anlass seines ersten Wien-Besuches. Das war vor 15
Jahren. Heute ist der New Yorker Architekt und Architekturkritiker
überzeugt, dass das Zentrum sich nicht verändern will. "Aber es wird sich
ändern müssen", sagt er, und er hat sich auch schon Gedanken darüber
gemacht wie: Gemeinsam mit seinem Kollegen Christoph a. Kumpusch will er
das Energiesystem der Stadt stören und Veränderungen hervorrufen. "System
Wien" ist zugleich eine Installation und eine Performance, die im Wiener
MAK und mit etwas Glück auch auf Straßen und Plätzen der inneren Stadt zu
sehen ist. Lebbeus Woods, Gründer des nicht gewinnorientierten Research Institute
for Experimental Architecture (RIEA), gilt als einer der bedeutendsten
Architekten der Gegenwart. Seine Arbeiten sind weit entfernt von konkreten
Bauvorhaben - ein Glück für die Denkmalpfleger, die schützend ihre Hände
über den historischen Stadtkern halten. Woods geht davon aus, dass eine Stadt aus Energieströmen besteht. Wenn
man etwas verändern wolle, so lautet seine Theorie, dann müsse man dort
Energie zuführen, wo das größte Veränderungspotenzial bestehe. Konkret
sieht das so aus: In der ganz in schwarz gehaltenen MAK-Galerie sind
Stahlseile zwischen Boden und Decke gespannt - als Symbole der gebauten
Umwelt. Der Besucher bahnt sich zwischen den in unterschiedliche
Richtungen geneigten Seilen seinen Weg. Nicht anders die Symbole der
Energie: Verbogene Stahlrohre liegen kreuz und quer im Raum. An ausgewählten Tagen nehmen Schauspieler diese Rohre auf einen
Spaziergang durch die Innenstadt mit und verändern an diversen Orten die
energetische Atmosphäre. Vorankündigungen gibt es nicht: "System Wien"
will Teil des täglichen städtischen Lebens sein und kein Schauspiel.
Bekannt für seine fantastischen Zeichnungen, die oft an Bilder von
Piranesi erinnern, wählt der New Yorker hier erstmals einen anderen Weg
seinen Denkmodellen Ausdruck zu verleihen. "Uns bleibt zu hoffen",
schreibt Peter Noever, Direktor des MAK, in dem zur Ausstellung
erschienenen Katalog, "dass jenes Zittern, das ,System Wien‘
ausstrahlt, den Kollaps nach sich zieht, damit Wien endlich aus dem Grab
seiner Vergangenheit auferstehen kann.""System Wien": bis 16. 10., Wien,
Museum für Angewandte Kunst; www.mak.at |