Salzburger Nachrichten am 28. April 2003 - Bereich: kultur
Sehnsucht nach Tritten

Irene Andessner bei Graz 2003 als erste Frau von Sacher-Masoch

Verträge können es in sich haben. Nein, gemeint ist nicht der Kontrakt mit dem Immobilienbüro, sondern der masochistische Vertrag. Die Verpflichtung zum Sklaventum reichte etwa beim österreichischen Schriftsteller Leopold von Sacher-Masoch (1836-1895) so weit, dass er sich seiner Frau Wanda per Unterschrift bis zum Tode auslieferte.

Zitat aus dem Vertrag: "Sie haben außer mir nichts, ich bin Ihnen alles, Ihr Leben, Ihre Zukunft, Ihr Glück, Ihr Unglück, Ihre Qual, Ihre Lust." Im Kulturhauptstadt-Projekt "Wanda SM" ist die Künstlerin Irene Andessner in die Rolle der als Angelica Aurora Rümelin 1845 geborenen ersten Ehefrau Sacher-Masochs geschlüpft: die Wiederkehr einer von Totalität geprägten Leidenschaft.

Üppige Bilderhommage an Wanda Sacher-Masoch: in der Videoinstallation im Dom im Berg thront Andessner, in eine Zobel-Imitation gehüllt und mit einer Peitsche als Attribut vor dem Tizian-Gemälde "Mädchen im Pelz", empfängt im Schaufenster eines Brautmodengeschäftes sich unterwerfende Männer oder scheint als "Zarin im Eispalast" in einem Eisstadion zu schweben.

Andessner verarbeitet dabei Wanda Sacher-Masochs "Lebensbeichte" ebenso wie Tagebücher und Briefe. Vier Szenenblöcke - die Musik stammt von Franz Pomassl - erzählen von einer im Roman "Venus im Pelz" als grausam beschriebenen Frau, von der Lust zu (be-)herrschen und der Sehnsucht nach Tritten.

Die Thematik ist faszinierend, die Umsetzung der masochistischen Inszenierung weist erhebliche Schwächen auf, die schauspielerischen Qualitäten der Darsteller sind leider begrenzt: fragwürdiger Laienspiel-Charme und grell geschminkte Herrschaftsgesten im Felsendom.

Während der bis zum 25. Mai geöffneten Ausstellung zeichnet der Künstler Piotr Dluzniewski im ehemaligen Verlies des Schlossberg-Glockenturms seine "Herrin", auch hierfür wurde ein Kontrakt geschlossen, der die gelegentliche Auspeitschung des Zeichners beinhaltet.

Angewandte Unterwerfung lässt sich zudem im Hotel Erzherzog Johann praktizieren: Im zu mietenden Wanda-Zimmer, wo unter anderem Himmelbett und Kunstfellmantel bereit stehen.

MARTIN BEHR