OÖN: Sie sind in einem Alter, in dem andere schon langsam an Pension denken. Wieso tun Sie sich das noch an?
Hattinger: Das tu’ ich mir ja nicht an, das ist mein Beruf! Ich mag diese Form von Herausforderung. Aber ich war schon selbst auch ein bisschen überrascht, dass die Wahl auf mich gefallen ist. Denn ich bin 1. nicht der Jüngste und 2. keine Frau. Und es gab immerhin mehr als 100 Bewerbungen, und der Großteil des Festival-Vorstandes ist sicher mehr als 20 Jahre jünger als ich. Aber es ist ja kein Lebensjob: Mein Vertrag beginnt am 1. 1. 2010 und ist auf 20 Monate angelegt.
OÖN: Mit welchem Konzept sind Sie angetreten?
Hattinger: Mit gar keinem Konzept. Ich glaube, dass für mich spricht, dass ich ein sehr weites Kulturspektrum habe und mich in vielen Genres von der Bildenden Kunst über Theater bis hin zu neuen Medien daheim fühle.
OÖN: Was ist für Sie das Reizvolle an diesem Festival?
Hattinger: Dass es auf die Menschen in der jeweiligen Region eingeht. Auch ich will nicht als Provokateur irgendwohin kommen, sondern als Art von Dienstleister. Mitte Dezember wird es ein erstes Treffen mit dem Festival-Vorstand geben, da werden wir eventuell schon einen Termin für das Festival 2011 festsetzen. Und dann möchte ich mir Oberösterreich wieder einmal genauer anschauen, um eine Region für das Festival zu finden.
OÖN: Sie sind viel unterwegs, suchen als Art Kunst-Scout neue Kunstformen und Künstler, unter anderem auch für das Münchener Festival spielart, das Sie kuratieren.
Hattinger: Mich interessiert immer der Zwischenbereich. Auch beim Festival spielart in München, das ich seit 1995 mit Tilmann Broszat kuratiere, wollen wir kein übliches Sprech- und Schreitheater anbieten. Wir waren und sind immer auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen. Viele Regisseure, die bei spielart vor Jahren mit dabei waren, sind mit uns älter geworden und heute längst etabliert. Beispielsweise Jan Lauwers und seine Needcompany. Er war im Vorjahr bei den Salzburger Festspielen und arbeitet derzeit am Burgtheater mit den Schauspielern. Oder das Natural Theatre of Oklahoma ist Artist in Residence am Burgtheater. Oder Rimini Protokoll waren heuer bei den Salzburger Festspielen. Oder Regisseur Johan Simons, der 2010 Intendant der Münchner Kammerspiele wird, ist erstmals bei spielart aufgetreten.
OÖN: Sie waren Linz09 anfänglich skeptisch gegenübergestanden, Wie schaut das nun in der Rückschau aus?
Hattinger: Da waren wunderbare Aufführungen dabei – einige der Künstler kannte ich bereits vom spielart-Festival. Es freut mich sehr, dass diese teils ungewohnten und ungewöhnlichen Theaterformen in Linz so gut angenommen wurden: Fast alles war ausverkauft. Linz09 war somit ein riesiger Erfolg – sowohl medial als auch vom Publikum her.
OÖN: Die Klangwolke wurde – im 30. Jahr ihres Bestehens – von Linz09-Theatermann Airan Berg neu konzipiert: mit Einbeziehung von Leuten, die dafür die Tiere gebastelt haben. Am Nachmittag gab es den Zug der Tiere durch die Innenstadt. Wie sehen Sie als ehemaliger Leiter des Festivals Ars Electronica die Entwicklung der Klangwolke?
Hattinger: Die Klangwolke schau’ ich mir schon lange nicht mehr an! Aber ich habe das diesjährige Konzept, die Leute von Beginn an mit einzubeziehen, äußerst wertvoll gefunden. Seit 1987 sage ich, dass die Klangwolke neu überlegt werden muss. Es ist ja wirklich langweilig, ein Konzert aus dem Brucknerhaus ins Freie zu übertragen. Und die visualisierten Klangwolken sind mit den Jahren immer dünner geworden. Man muss alles immer weiterentwickeln oder sich davon verabschieden.
OÖN: Wie definieren Sie die Aufgabe von Kunst?
Hattinger: Ich bin kulturell eher wie ein Kaspar Hauser aufgewachsen. Mir hat aber dann die Beschäftigung mit Literatur, mit Kunst generell gezeigt, dass es auch eine andere Welt und andere Gedanken und Phantasie gibt. Kunst kann einen aus dem Alltäglichen herausheben.
Info: www.hattinger.org; Details zum Münchener Festival spielart (seit gestern bis 5. Dezember) unter www.spielart.org
24. November, Bergschlößl Linz
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