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Yves Klein in Wien: Der monochrome Mythomane

08.03.2007 | 18:28 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Eine wesentliche Neubewertung im Museum moderner Kunst. Von wegen alles blau: Ab 1960 will Yves Klein die Welt auch mit Pink und Gold sensibilisieren und durchdringen.

Yves Klein war ein Meister der Rituale. Wir haben die unseren: Ohne einen wachen Blick auch nur vorzugaukeln, laufen wir in den Modernemuseen dieser Welt heute achtlos vorbei an seinen saftig blauen Farbstücken. Hier ein Monobleu in Wien, da ein IKB (International Klein Blau) in New York, blau, blau, blau. Wir sind schon genauso blind dafür wie für Lucio Fontanas redundante Schnitte in die Leinwand. Yves Klein ist so schubladisiert wie kaum jemand in der Kunstgeschichte.

Das Wiener Museum moderner Kunst hat gemeinsam mit dem Centre Pompidou in Paris diese Schublade für uns wieder aufgerissen – und keinen blitzblauen Himmel, sondern ein ganzes künstlerisches Universum darin gefunden. Die Religion des „Yves le Monochrome“, wie der Mythomane (Rosenkreuzer) und hochrangige Judoka gerne signierte. Seit Mitte der 50er-Jahre, seit er, wohl erst einmal als Trotzreaktion gegen seine informell malende Mutter, einen Katalog (fiktiver) monochromer Gemälde präsentierte, inszenierte der Dandy selbstverliebt, großmäulig und medienbewusst sein Leben als Gesamtkunstwerk. Bis zur eigenen „königlichen Hochzeit“ kurz vor seinem Tod mit Waltraud Uecker.

Kunst gleich Leben. Yves Klein gilt als Pionier des erweiterten Kunstbegriffs. „Meine Bilder sind nur die Asche meiner Kunst“, proklamierte er. Und sofort denkt man dabei weiter, etwa an die Relikte des Orgien-Mysterien-Theaters Hermann Nitschs, an die unfreiwillig aus Tagebüchern von Kommunarden entstandenen „Aschenbilder“ Otto Mühls oder an US-Künstler John Baldessari, der sein Frühwerk verbrannte.


„Aufladung mit Sensibilität“

Kein Wunder, dass Klein im Rückblick für viele als „Scharlatan“ gilt. Zudem wirkt sein Credo heute äußerst esoterisch: „Aufladung mit Sensibilität“; erst dann könne am „Leben selbst“ teilgenommen werden. Dafür eignete sich natürlich am besten sein durch ein spezielles Bindemittel so kräftig leuchtendes Ultramarinblau – wider alle Legenden übrigens nie patentgeschützt, wie (anders als in der Ausstellung selbst) im großartigen Katalog nachzulesen ist.

Die ganze Welt sollte nach Kleins Vorstellung in Blau getränkt sein, dieser abstraktesten der Farben, der in der Natur nur Himmel und Wasser gleichen. Zumindest an einem Globus verwirklichte er diese Vision. Und die Menschen, denen er mit blauen Cocktails auf einer Vernissage schon einmal den Urin färbte, verglich er mit den blauen Schwämmen, die er verarbeitete.

Klein trieb seine „Blaue Revolution“ zur Groteske, schrieb Bittbriefe an Fidel Castro und Eisenhower oder trug dem Geophysikalischen Institut seine „Kompetenz“ an, um nach einem Roten, Schwarzen, Gelben Meer endlich auch ein Blaues zu schaffen. 1950 kamen zum Blau noch die gleichberechtigten Farben Goldgelb und Pink dazu.

Klein verlor sich immer mehr ins Ephemere, Immaterielle, bis er für ein Foto endgültig den „Sprung ins Nichts“ inszenierte. In der Montage verschwanden die auf der Straße mit einem Sicherheitsnetz wartenden Freunde. Schwindel, Selbstironie, Angeberei. Auch das war wegweisend für die Postmoderne. Mit dem Erreichen des „Nichts“ musste Klein aber wieder umdrehen. Kurz vor Lebensende wandte er sich wieder dem Weltlichen zu, Abdrücken von Körpern, die er als „lebende Pinsel“ zu seiner Musik (s.u.) dirigierte. Aber auch Abdrücken von Wasser, Feuer und Wind.

Yves Klein ist nicht zu fassen. Was heute am meisten irritiert, ist seine von asiatischen und europäischen Mythologien genährte Spiritualität. So tauchte erst vor wenigen Jahren im Kloster der Heiligen Rita in Cascia ein kleiner Plexiglaskasten auf, den eindeutig Klein bei einer seiner Pilgerfahrten hinterlegt haben muss: Ein Ex-Voto, gefüllt mit goldenen, rosa und blauen Farbpigmenten. Und – dem Immateriellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2007)


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