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Quer durch Galerien 19.12.2003

Eine Brille ergreift die Macht

Von Claudia Aigner

300 Jahre Wiener Zeitung!Wo kommen wir denn da hin, wenn nicht einmal mehr die Zeit live ist? (Die Zeit, in der wir uns jetzt gerade, also in diesem Augenblick aufhalten.) Wahrscheinlich ist sie aber trotzdem noch live - irgendwie. Trotz allem, was sich Markus Schinwald im Raum-Zeit-Kontinuum geleistet hat. (Ähäm: wo bitte?) Er zeichnet verantwortlich für die womöglich verstörendste (aber auch unpraktischste) Einmischung ins Zeitgefühl seit Einführung des Gregorianischen Kalenders. Doch er kann ja nicht alle erreichen - mit seiner Elf-Stunden-Uhr. Kann ja nicht die ganze mitteleuropäische Zeitzone infiltrieren. Dazu hat seine Uhr, die auf dem Ziffernblatt ein Stundenstricherl weniger hat, eine viel zu kleine Auflage.
Die Elf-Stunden-Uhr mag ja schneller fertig sein als andere Uhren, obwohl natürlich schon der Verdacht besteht, dass sie im Endeffekt genauso lang für einen Tag braucht wie meine Uhr, dennoch . . . ach, was spekulier ich da noch länger blöd herum: Man sieht die Uhr (bis 3. Jänner 2004 beim Kargl, Schleifmühlgasse 5) und denkt sich sofort: "Hä?" Damit hat sie vermutlich ihren Zweck erfüllt. Denn Schinwald stellt gern alles auf die Probe.
Also nächstes Thema: Der Körper - ein Leibeigener seiner Kleidung. Oder: Mode - eine Körperbehinderung? Da ergreift etwa eine Brille die Macht über das Gesicht. Das tun Krankenkassabrillen zwar auch, die unverschämt große Gebietsansprüche an die Physiognomie stellen. Aber diese eine Brille hantelt sich ausgetüftelt manieriert nach unten weiter, wo sie sich dann an biedermeierlichen Lippen festkrallt. Ein anderer aus dem Biedermeier ist anscheinend hilfloses Opfer eines zwangsneurotischen Posamentierers. Schinwald hat technisch einfach perfekt und mit ansteckender Freude an der Hinterfotzigkeit (und bis zur unüberbietbaren Dekadenz) die Mode auf Porträts aus dem 19. Jahrhundert "weitergedichtet". Seine leibhaftigen, nennen wir sie: "Reliquien der Körperbeherrschung" sind aber auch nicht ohne erheblichen Reiz. Zum Beispiel sein Stöckel ohne Schuh. (Die westliche Entsprechung zum deformierten chinesischen "Lilienfuß" ist bekanntlich der "Barbiefuß" bzw. die "Stöckelferse".) Kann die Damenwelt, dank dem Stöckel ohne Schuh, der folglich ein Stöckelschuh ohne Schuhsohle ist, jetzt endlich sogar in bloßfüßigem Zustand feminin herumstehen, ergo mit einer Ferse, die mindestens zehn Zentimeter hoch in der Luft residiert?
Nachtrag: Ehrlich gesagt bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob die Zeit wirklich live dabei ist, wenn wir live sind (hä? Das ist jetzt selbst mir zu hoch). Aber das soll Stephen Hawking entscheiden.
Die Galerie Engholm (Schleifmühlgasse 3) hat sich auch schon einmal ähnlicher gesehen. Kein Wunder: Jan de Cock war da und hat sie entscheidend umoperiert. Und seine abstrakte "Innenarchitektur" dagelassen (bis 23. Dezember). "Verspielt strenge" konstruktivistische Schichtungen und Verschachtelungen aus grünen, orangen und rohen Spanplatten, handwerklich sauber, farblich gefällig ("Gefällig" ist kein Schimpfwort!). Ein genussvolles Raumerlebnis. Fazit (meines): Architektur ist ja immer mehr oder weniger abstrakt. Und trotzdem erkennt man sie irgendwie. (Wieso soll das das Fazit sein?)

Erschienen am: 19.12.2003

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