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Geschichten eines fairen Kaufs

18.03.2010 | 18:44 | AGNES HUSSLEIN-ARCO (Die Presse)

Schieles „Mutter mit zwei Kindern III“ ist ein Musterbeispiel dafür, dass die Republik Kunstwerke auch nach dem Krieg korrekt erworben hat.

In der „Presse“ vom 18.März erschien ein Beitrag von Barbara Petsch über die Aussichten auf Rückgabe des Egon-Schiele-Gemäldes „Mutter mit zwei Kindern III“ aus der Sammlung des Belvederes. Die Darstellung gibt die Sicht des Vertreters der Erben der früheren Eigentümerin des Kunstwerks, Jenny Steiner, wieder. Mitarbeiter des zuständigen Ministeriums oder des Museums Belvedere kamen nicht zu Wort. Als Direktorin des Belvederes ist es mir wichtig, auf folgende wesentliche Details aufmerksam zu machen:

Schon im Jahr 2000 hat der die zuständige Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur beratende Beirat empfohlen, dieses Bild nicht zurückzustellen. Begründet war diese Empfehlung damit, dass die Republik Österreich das Werk zu einem angemessenen Preis gekauft hat und die Eigentümerin in keiner Weise zu diesem Verkauf gezwungen wurde.

Das von den Erben Jenny Steiners jetzt erhobene zweite Ansuchen um Rückgabe ist auf eine Änderung des Kunstrückgabegesetzes gestützt: Das Gesetz habe sich so geändert, dass das Bild zurückgestellt werden müsse. Die eine Voraussetzung wäre, dass die Republik Österreich das Kunstwerk zu einem unangemessen niedrigen Preis gekauft hätte. Die andere, dass die Eigentümerin durch ein Ausfuhrverbot zu einem Verkauf an die Republik gepresst worden ist. Beide Voraussetzungen sind nicht erfüllt: Die Österreichische Galerie Belvedere hat einen mit den Erben Jenny Steiners ausverhandelten, für damalige Verhältnisse angemessenen Preis bezahlt. (Man einigte sich auf 20.000S – zu einer Zeit, als für die wertvollsten Schiele-Gemälde 5000 S bezahlt wurden.)


Annäherung in Freundschaft

Diese Einigung war nicht etwa das Ergebnis harter Verhandlungen unter Druck, sondern eine in bester Freundschaft erzielte Annäherung von Standpunkten. So schreibt Klara Mertens, die Tochter Jenny Steiners, am 28.Jänner1951 an Dr.Fritz Novotny, den späteren Direktor des Belvederes: „Es würde uns besonders freuen, Ihnen New York zu zeigen. Sie bei uns zu sehen.“ Und: „Mit Vergnügen denke ich an unser letztes gemütliches Beisammensein in Wien zurück – und an die schönen Tage, die ich dort verbrachte.“ Der Kunsthistoriker Fritz Novotny hatte bereits im Jahr 1948 das Schiele-Gemälde als aus dem Besitz Jenny Steiners stammend identifiziert: In der Folge hatte der damalige Direktor der Österreichischen Galerie, Dr. Karl Garzarolli-Thurnlackh, den Präsidenten der Berufsvereinigung bildender Künstler Österreichs, Karl Stemolak, schriftlich aufgefordert, bezüglich der Ausfolgung des Gemäldes Kontakt mit der Familie Steiner in New York aufzunehmen.

Mit einem Ausfuhrverbot wurden die Erben Jenny Steiners auch nicht unter Druck gesetzt, weil es zu einem förmlichen Verfahren nach dem Ausfuhrverbotsgesetz nie kam. Es ist anzunehmen, dass Jenny Steiner und ihre Töchter das Bild nie aus Österreich exportieren wollten. Jenny Steiner hatte das Bild bereits ihrer in Wien lebenden Tochter Anna Weinberger geschenkt, und die hegte nicht die Absicht, Österreich zu verlassen.

Ich unterstütze die Ziele des 1998 beschlossenen Kunstrückgabegesetzes und begrüße auch die Novelle 2009. Seit 1998 betreibt das Belvedere eine intensive interne Provenienzforschung, bei der sämtliche Kunstwerke, die das Museum seit 1933 erworben hat, systematisch überprüft werden. Aber gerade das Gemälde „Mutter mit zwei Kindern III“ ist ein Musterbeispiel dafür, dass die Republik Österreich Kunstwerke nach dem Zweiten Weltkrieg doch auch korrekt und fair erworben hat. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rückgabe bestehen daher nicht.


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