Die Sammlung Verbund Am Hof zeigt die Ausstellung "Birgit Jürgenssen. Pulsschlag einer Sinnlichkeit"
Subversive Meisterin der Maskerade
|
Birgit Jürgenssens Fotografie "Gretchen von Faust" (1988) zeigt
beispielhaft ihre Form der feministischen Avantgarde. Foto: Nachlass
Birgit Jürgenssen/VBK, Wien 2009
|
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
In den 70er und 80er Jahren war Birgit Jürgenssen (1949–2003) in Wiener
Galerien und in der Secession als feministische Kämpferin bekannt –
auch im Teamwork mit der Künstlergruppe Die Damen. Leider hat sie nie
den Stellenwert bekommen, den ihre Arbeiten verdient hätten.
Nun
macht die Sammlung Verbund mit einer Ausstellung in ihrer "vertikalen
Galerie" im Stiegenhaus und einer gewichtigen Publikation auf die jung
verstorbene Künstlerin erneut aufmerksam. 40 Zeichnungen und
Fotografien bieten einen Querschnitt durch das an französischem
Surrealismus und Strukturalismus, aber auch an den Strategien der
amerikanischen Body-Art und Fotografie orientierte Werk. Einen Großteil
davon hat die Sammlung Verbund seit 2004 angekauft. Nächstes Jahr wird
Jürgenssen im Wiener Kunstforum eine Retrospektive gewidmet sein.
Nur scheinbar sanft
Die internationalen Autorinnen der Publikation verdeutlichen endlich
die über Österreich hinausgehende Aufmerksamkeit – Mitherausgeberin
Abigail Solomon-Godeau von der University of California in Santa
Barbara steht dafür ebenso wie die renommierte
Literaturwissenschafterin Elisabeth Bronfen von der Züricher
Universität. Bei internationalen Themenausstellungen hat man Jürgenssen
bislang mit Cindy Sherman verwechselt; auch wenn das jetzt nicht mehr
passieren sollte, die theatralischen Maskeraden beider vor der Kamera
sind durchaus vergleichbar. Ironische Selbstinszenierung, als Spiegel
für den Betrachter, gelingt ihr variantenreich: vom Schulmädchen über
das Opfer und die Hausfrau bis zur Gladiatorin. Außer mit den "Damen"
ist die Künstlerin allerdings nie vor Publikum mit Performances
aufgetreten. Sie widmete sich ebenso wie Valie Export neben der
Fotografie dem Bau von eigenwilligen Objekten wie dem "Schuhsessel"
oder experimentierte mit Collagen und ließ sich nie auf eine
einheitliche Stilsprache oder Aussage festlegen.
Jürgenssen appelliert direkt an ihr Publikum – ebenso sehr mit
scharfem Sprachwitz wie mit subversiven Titeln unter ihren Werken.
Zwischen Sigmund Freud und den französischen Strukturalisten war
Jürgenssen eine Gesellschaftskritikerin mit einer nur scheinbar sanften
Bildsprache.
Ausstellung
Birgit Jürgenssen. Pulsschlag einer Sinnlichkeit
Gabriele Schor (Kuratorin)
Sammlung Verbund am Hof
bis 10. März
Printausgabe vom Mittwoch, 16. Dezember 2009
Kommentar senden:
* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.
Die
Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine
Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe
wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren
Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht
veröffentlicht.