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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
08. Juni 2009
17:27 MESZ

Ferdinand Georg Waldmüller verstand es als erster österreichischer Maler, realistische Szenen in gleißendes Licht zu tauchen:"Am Fronleichnamsmorgen" (1857).


Die Sonne scheint auch für die Armen
Das Belvedere widmet Ferdinand Georg Waldmüller eine umfangreiche Retrospektive - brav chronologisch

Das steht dem Biedermeier-Künstler, in dem ein Modernisierer und Rebell steckte, nicht gut zu  Gesicht.

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Wien - "Ist das nicht unsäglicher Kitsch?" Die erste Reaktion auf Ferdinand Georg Waldmüllers Motivwelt - Erstkontakt erfolgt meist übers Kalenderblatt - variiert unbeträchtlich. Die lieblichen Gemälde spielender, bloßfüßiger Bauernkinder mit einem herzigen Lachen auf den gesunden, roten Wangerln mag man heute selten als Wandschmuck über italienischen Designersofas finden. Im 19. Jahrhundert deckten sich jedoch solche Heile-Welt-Bilder vortrefflich mit dem Geschmack des Publikums.

Das Mutterglück etwa - um eine freudestrahlende Mutter mit jüngstem Wonneproppen auf dem Schoß sind die Geschwisterchen mit Blumengaben drapiert - malte Waldmüller ganze zehn Mal. Nicht etwa, um in der Variation von Motiv oder Komposition zum besten Ergebnis zu gelangen. Nein: Die Nachfrage war einfach entsprechend groß. Bis ins Detail gleichen sich daher die Kassenschlager, wie drei Beispiele aus den Jahren 1851, 1857 und 1860 im Belvedere veranschaulichen.

Dort wird versucht, ein umfassendes Bild des Biedermeier-Künstlers zu zeichnen: 120 Werke, ein Großteil aus eigenen Beständen, sollen dabei helfen, Waldmüllers Oeuvre von Klischees und Fehleinschätzungen zu bereinigen und die modernen, wissenschaftlich vernachlässigten Seiten des Künstlers herauszukitzeln.

Im Louvre in Paris, das fünf Waldmüllers sein Eigen nennt, war die Retrospektive im Frühling als 40-teiliger Salon-Ableger zu sehen. 1855 wurde sein Werk aus Anlass der Weltausstellung erstmals an der Seine gezeigt und damals vom Publikum mit Zurückhaltung, von der Presse kritisch bedacht. Mehr als 150 Jahre später ist Waldmüller dort immer noch kein Straßenfeger, wurde vom Publikum jedoch goutiert, wie es im Louvre heißt. Auch die Fachpresse war voll des Lobes. Allein die Tagespresse vergaß zu berichten, die Ausstellungskonkurrenz sei einfach zu groß.

Teure Peep-Show

In Wien will man den "Ur-Secessionisten" , wie ihn Künstler um Gustav Klimt, Koloman Moser und Josef Hoffmann in ihre Ahnenreihe stellten, zeigen. Die Secessionisten bewunderten Waldmüller als jenen Maler, der sich als erster mit dem Licht beschäftigte. Sie kauften viele der Gemälde, die nun zur Sammlung des Belvedere gehören. Heute sind Waldmüllers für öffentliche Häuser fast unerschwinglich. 1,05 Millionen Euro spielte 2008 im Kinsky etwa der Guckkastenmann (1847) ein. Im Hinblick auf den biedermeierlichen Kontext wirkt dessen Titel in der englische Übersetzung übrigens unfreiwillig komisch: The Peep-Show-Man. Ein Bild, mit dem der Dokumentarist mit dem fotografischen Blick vermutlich einen der ersten Fotoapparate abbildete.

Unerlässlich für die von ihm angestrebte Form des Realismus war Waldmüller das Studium in freier Natur. Das propagierte der Erste Kustos der Gemäldegalerie auch in seinen privaten Unterrichtsstunden an der Akademie der bildenden Künste. Ganz zum Unbill der Professoren, denen auch Waldmüllers sonstige Reformpläne wenig schmeckten: beispielsweise die Akademie aufzulösen, die seiner Ansicht nach nicht vermochte, wahre Künstler auszubilden. Um den aufsässigen "Genremaler" in die Schranken zu weisen, reagierte man 1838 mit einem generellem Verbot des Privatunterrichts an der Akademie. "Künstler und Rebell", sei auch der geheime Untertitel der Ausstellung, verrät Kuratorin Sabine Grabner schmunzelnd. Schade, er hätte sich als nützlich erwiesen. Denn ohne Hinweis ist der Schau der revolutionäre Geist nicht anzumerken. Die Chronologie ließ sich nicht durchbrechen, erklärt Grabner.

Und so begegnet der Besucher in den ersten Sälen doch nur wieder jenen Arbeiten, für die Waldmüller bereits zu Lebzeiten anerkannt war: den braven, mattfarbigen Porträts und den - im Vergleich zur späteren Leuchtkraft seines virtuosen Farb- und Lichtspiels - eher staubigen Landschaftsbildern. Nun will das Belvedere aber gerade die Genreszenen, die häufig die raren glücklichen Momente in der Not zeigen, neu bewertet wissen. Und doch versteckt sie diese in den hinteren Sälen, die man nur erreicht, wenn man die davor liegende Fadesse durchtaucht. Dann gelangt man zu den handwerklich vortrefflichen, mit neuen Perspektiven spielenden, durchaus sozial-kritischen Genre-Szenen, unter denen die zusammengebrochene Mutter (Erschöpfte Kraft, 1854) zu den ungeschöntesten gehört.

Selbst die farblich leuchtendsten, mit grellem Sonnenlicht betupften Szenen sind keine reinen Idyllen.Denn Armut und Krankheit finden nicht nur - auch wenn es malerisch glaubwürdiger erscheint - an regenverhangenen Tagen statt. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 09.06.2009)

Bis 11.10.

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