Kultur

Menschengärtner mit Nudelauflaufsucht

15.09.2007 | SN
Grazer Kunsthaus: "Modell Martin Kippenberger - Utopien für alle - Netzwerker für die Gesellschaft"

MARTIN BEHR

GRAZ (SN). Seine Künstlerfreundschaft zu Jörg Schlick und Wolfgang Bauer führte ihn oft nach Graz, wo er schon in den 80er Jahren in der Galerie Bleich-Rossi, im Forum Stadtpark und in der Galerie & Edition Artelier präsent war. Peter Pakesch spricht von einem "großen Manko", dass Martin Kippenberger aber nie auf "institutioneller Ebene" ausgestellt wurde. Gemeinsam mit Daniel Baumann hat Pakesch nun die Ausstellung "Modell Martin Kippenberger - Utopien für alle" kuratiert, die Freitagabend im Grazer Kunsthaus eröffnet wurde.

"Ich bin ich - und ich bin viele": Es gibt viele Zugänge zu Martin Kippenberger (1953-1997), dem multimedial tätigen deutschen Enfant Terrible der Kunst mit der enormen Produktionsvielfalt und dem indiskreten Charme der Provokation. Neben - wie ihn Freunde nannten - "Kippi", dem Selbstdarsteller und Egozentriker gab es auch den (augenzwinkernden) Weltverbesserer Kippenberger, den Verkünder von moralischen Botschaften. Zitat Pakesch: "Er, der sich selbst als Menschengärtner bezeichnete und als großer Aufklärer verstand, glaubte auch an das Gute im Menschen und die Verbesserung der Welt."

Schön war die Welt für Kippenberger vor allem dann, wenn Nudelauflauf und Alkohol serviert wurden, Mau-Mau gespielt und "gute Kunst" konsumiert werden konnte. Doch abseits dieser subjektiven Zugänge verstand sich der von Joseph Beuys, Gerhard Richter, Marcel Broodthaers, Sigmar Polke oder Andy Warhol beeinflusste Kippenberger als Netzwerker für die Mitgestaltung einer globalen Gesellschaft, die auch in Graz eine launig-männerbündlerische Filiale hatte: Lord Jim Loge.

Über Malerei, Zeichnung, Skulptur und Plakate bietet die Grazer Schau einen Einblick in die Utopienwelt des Künstlers. Frei von Sarkasmus ist dieser nicht, als Beispiele seien das Plakat "Schwerter zu Zapfhähnen" oder das großartige Antikriegsbild mit Weihnachtsmann "Krieg böse" (1983) genannt.

Tabus gab es für Kippenberger keine, auch der tragische Tod seiner Mutter - sie wurde auf offener Straße von Europaletten erschlagen - floss in sein Werk ein. Die geschlichteten Paletten auf einem Sockel tragen den Titel "Entwurf Verwaltungsgebäude für Müttergenesungswerk in Heilbronn". Und das 1983 gemalte Bild "Sympathische Kommunistin" zeugt von der Lust, sich fremde Ästhetiken anzueignen und diese umzuformen.

In der Kunst der Transformation war Kippenberger ein Großmeister. Nichts hat Bestand, schon gar nicht die eigene Haltung. Eben noch Utopist, jetzt schon wieder Realist. Und Zyniker. (Bis 6. Jänner.)

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