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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
02. Februar 2005
18:23 MEZ
Von
Birgit Baumann aus Berlin

Siehe dazu

Röhl-Kritik an RAF-Ausstellung
"Ikonen" der Terrorgruppe werde ein Denkmal gesetzt
 
Foto: Kunst-Werke-Berlin
Porträt "Meinhof" von Johannes Kahrs: Es zeigt die Terroristin Ulrike Meinhof; für das Gemälde orientierte er sich an der Fotografie, die 1973 aufgenommen wurde.

Das große Baader-Meinhof-Déjà-vu
Nach langem Streit ist in Berlin nun die umstrittene und mittlerweile privat finanzierte Kunstausstellung über die Rote-Armee-Fraktion (RAF) zu sehen

Ab Juni zeigt auch die Neue Galerie in Graz die Bilder, Collagen und Videoinstallationen von 55 Künstlern.


Vielleicht ahnt Ausstellungsmacher Klaus Biesenbach, dass es noch einmal Ärger geben könnte. Am Freitag, als die Schau präsentiert wurde, stellte er gleich zu Beginn klar: "Es ist nicht möglich, als Konsensmaschine alle Erwartungen zu erfüllen." Vor eineinhalb Jahren, als bekannt wurde, dass in Berlin eine RAF-Ausstellung geplant wird, blies ihm und seinem Team starker Wind entgegen. Eine Projektbeschreibung war an die Öffentlichkeit gelangt und darin hatte Biesenbach als Erkenntnisanspruch niedergelegt: "Welche Ideen, Ideale (der RAF, Anm.) haben ihren Wert durch die Zeit gehalten und können nicht als naiv abgetan werden?"

Der Boulevard tobte und kritisierte schon im Vorhinein die Glorifizierung von Terroristen. Als sich Hinterbliebene von RAF-Opfern an den deutschen Kanzler Gerhard Schröder wandten, war es aus mit der staatlichen Finanzierung: Aus dem Hauptstadtkulturfonds floss kein Geld in die "KunstWerke" Berlin-Mitte.


Private Finanzierung

Dennoch hat es Biesenbach geschafft, die Ausstellung mit privaten Mitteln zu realisieren, nicht zuletzt durch eine Versteigerungs-Aktion von Kunstwerken bei E-bay. Er hoffe nicht, dass dieses Beispiel Schule mache, sagt Biesenbach. Eigentlich dürfe der Staat bei der Finanzierung von Kunst nicht aus der Verantwortung genommen werden.

Auch der Titel der Schau wurde entschärft. Statt "Mythos RAF" nennt sie sich nun "Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF". Es sei "keine Ausstellung über die RAF, sondern eine über die Wahrnehmung der RAF", betont Biesenbach. 55 internationale Künstler wollen das Bild zeigen, das die Medien von der RAF während der vergangenen 30 Jahre vermittelt haben.

Joseph Beuys, der sich schon 1972 zur documenta V mit der politischen Gewalt auseinander setzte, Sigmar Polke, Jörg Immendorff oder Klaus Staeck zeigen die Reaktion des Staates auf die RAF, die Verschärfung des Strafrechts und die Einschränkung der Grundrechte. Die Kuratoren der Ausstellung, zu denen auch Felix Ensslin, Sohn des früheren RAF-Mitglieds Gudrun Ensslin, gehört betonen, dass sie nicht die Geschichte der RAF darstellen und auch keine neuen Schlüsse über die ziehen wollten.

Die Ermordung

Gezeigt wird nur, was es immer schon gab. Kein Bild, keine Collage, kein Video ist extra für diese Schau angefertigt worden. Auch auf der Zeitleiste mit 29 ausgewählten Tagen findet sich das große Déjà-vu deutscher Geschichte aus den Medien wie Bild, Stern oder FAZ: Etwa die Ermordung des Chefs der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, oder die Selbstmorde der RAF-Terroristen im Gefängnis Stuttgart-Stammheim.

Als Beispiel dafür, dass man eben keine Heroisierung zeigen wolle, nennt Biesenbach den Zyklus Die Toten von Hans-Peter Feldmann. Er hat in 80 Darstellungen die Bilder aller Toten - Täter wie Opfer - nebeneinander gestellt.

Die Journalistin Bettina Röhl, Tochter der RAF-Mitbegründerin Ulrike Meinhof, überzeugt dies nicht. Sie kritisiert in der Zeit, dass den "Ikonen" der Terrorgruppe mit der Ausstellung ein Denkmal gesetzt werde. Die Exponate verwandelten Täter in "geile Typen", wie sie von einer ganzen Generation empfunden worden seien. Sie wirft der Berliner Galerie vor, mit dem Reizthema bloß jene Aufmerksamkeit erregen zu wollen, "die die RAF seinerzeit erfuhr".

Doch diese Ikonisierung ist ebenfalls Thema der Ausstellung - wenn etwa Hans Niehus dem RAF-Mitglied Holger Meins auf dem "Walk of Fame" in Hollywood einen Stern widmet oder der britische Designer Scott King für Ulrike Meinhof und Andreas Baader das "Prada Meinhof"-Logo entwirft.


Ab Juni in Graz

Von 24. Juni bis zum 28. August wird die RAF-Ausstellung in der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum in Graz zu sehen sein. Peter Weibel, Direktor des Medienmuseums im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM), der die Schau in die steirische Landeshauptstadt bringen wird, bezeichnet die Ausstellung als einen "für Österreich wichtigen Beitrag zur Demokratie-Debatte". Auch wenn die RAF eine gewalttätige Seite habe, so sei durch sie und die 68er-Bewegung "der Bruch mit den Eltern und mit dem System und der Wunsch nach einer avancierten Demokratie" eingeleitet worden.

In der Debatte um die Ausstellung sieht Weibel Parallelen zur Debatte um die RAF: "Heute gibt es wieder das gleiche Misstrauen wie damals. Es wird unterstellt, dass Künstler mit der RAF sympathisieren." Dass in Deutschland die staatliche Finanzierung unter dem Druck der Massenmedien zurückgezogen worden ist, empfindet er als "Repression". (DER STANDARD, Printausgabe vom 29./30.1.2004)


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