Wien Museum im Künstlerhaus: Mythos "Alt-Wien"
Welthauptstadt der Rückbezüglichkeit
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer Direktor Wolfgang Kos
präsentiert seine erste Großausstellung im Erdgeschoss des Künstlerhauses
und erinnert an die Tradition seines Hauses und der Festwochen, diese
Räumlichkeiten etwa für "Zauber der Medusa" oder "Die Türken vor Wien" zu
nützen. Der Titel "Alt-Wien. Die Stadt die niemals war" gibt dabei schon
die Programmatik der Schau vor.
Sachlich und interdisziplinär wird auf die
Stereotypen eingegangen, die zu einem Mythos geführt haben, der immer noch
mit "Wäschermädel" und Fiaker, mit "Dreimäderlhaus" und Schubert, vom
Kaiserkitsch bis zur "Jugendstilisierung" (Manfred Wagner) in unseren
Köpfen und als Tourismuswerbung existiert. Im "Orchesterklang" mit allen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Hauses und dem externen Kurator,
Kulturhistoriker Christian Rapp, ist hier eine enorme Menge an Exponaten
unter 15 Aspekten beleuchtet worden. Gleich zu Anfang: Diese Schau ist
inhaltlich wie auch gestalterisch (durch Christian Prasser) gelungen, der
Pfad durch labyrinthartige Einbauten ermöglicht die Unterbringung des
Materials. Den "Hauptplatz" mit der auf versetzt gestellten Werbeschildern
neu erstandenen Rekonstruktion des Neuen Marktes von einer Ausstellung im
Prater 1892, die Oskar Marmorek nach alten Postkarten fiktiv zum
begehbaren Modell machte, ist ein Erlebnis. Für eine genauere Studie,
die dieses Konzept verdient, sollten sich Besucher Zeit nehmen, denn die
Aufstellung schafft es, künstlerisch wertvolle Exponate von Kokoschka u.
a. mit Alltäglichem zu verbinden, ohne dass die Harmonie bricht. Sie holt
Vieles an die Oberfläche, was bis jetzt unbekannt war oder jahre-lang
vergessen war, etwa den Fotografen August Stauda oder die Veduten der
Familie Kasimir. Von den Anfängen um 1800 bis zum Ende in der
Gegenwart sind die Fakten eines allgemein gültigen "Schlachtfelds Stadt"
sichtbar, wie die Vergleiche mit Paris oder Budapest zeigen. Auch die
Biedermeierzeit, die noch die Nazis und die Nachkriegszeit, immer noch als
gemütliche Phase von "Alt-Wien" in Filmen, Bildern usw. priesen,
demolierte mittelalterliche und barocke Häuser in breitem Umfang. Dann
folgte mit der Schleifung der Stadtmauern und dem Bau der Ringstraße,
sowie der "Gründerzeit" ein nächster "Kahlschlag", bevor Krieg und
Wiederaufbau Weiteres verschwinden ließen, was als "Alt-Wien" bezeichnet,
ohnehin aber schon neu war. Alt-Wien, wie es von wenigen Postkarten,
gemalten Veduten oder Fotos noch rekonstruierbar ist, zeigt sich als eine
uns völlig fremde Stadt, die einem provinziellen Prag ähnlich sieht.
Es werden beide Seiten beleuchtet und auch die großen Befürworter von
Erneuerung wie Adolf Loos oder Karl Kraus erweisen sich bei naher Sicht
selbst als Trauernde über den Abriss des alten Burgtheaters. Zu
staunen gibt es also viel und es wird klar, wie gering die bekannten
Fakten sind: Wer kennt noch das "Elefantenhaus" zwischen Graben und
Stephansdom, den geplanten Zentralbahnhof gleich neben ihm (von 1852) oder
all die "räudigen" Häuser, um die selbst progressive Kräfte wie Hans
Tietze kämpften. Die Stimme der Kunsthistoriker zieht sich durch die
Schau, sie beschworen mit Symbole des Bösen wie Warenwelt, Spekulation und
zuletzt die Störung des Weltkulturerbes (Wien-Mitte). Auch die in den
80er Jahren so kontrovers geführten Debatten um das MuseumsQuartier in den
alten Hofstallungen, einem damals durch die Messeeinbauten
heruntergekommenen Quartier mit Aussicht auf Flakturm und
Möbel-Leiner-Loft, die Gräben durch Institutionen zogen, werden gut
beleuchtet. Das Gegenbeispiel Spittelberg, wobei die progressive Jugend um
Erhalt der Häuser gekämpft hatte, mit seiner Umwandlung aber wieder
"Disney-Landisierung" betrieb, zeigt, wie schwierig es ist, Stellung zu
beziehen. Ein ebenso anspruchsvolles wie umfangreiches Unterfangen,
das sich auch im großen Katalog (Czernin-Verlag) widerspiegelt, von
Wolfgang Kos wie jeder Raum und jedes Medium als Versuch, ein Thema
anzusprechen aufgefasst und nicht als endgültige Aufklärung. Gastautoren
wie Peter Haiko, Werner Telesko u. a. bereichern die fast 600 Seiten der
MitarbeiterInnen des Museums.
Erschienen am: 27.11.2004 |
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