Wien Museum: Fotografien von Walter Henisch
Über die Möglichkeit, mit der Realität auf Distanz zu gehen
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Der Dichter Peter Henisch schreibt über die "Brutale
Neugier", die Fotografen auch angesichts der Not nicht verlässt.
Wahrscheinlich ist die Tätigkeit hinter der Kamera doch eine Möglichkeit,
mit der Realität auf Distanz zu gehen. Sein Vater, Walter Henisch (1913
bis 1975) stammte aus einer tschechisch-jüdischen Familie, war aber mit
der Deutschen Wehrmacht (mehreren Propagandakompanien) seit 1940 an der
Front; zuvor hatte er schon 1938 für die Hitlerjugend Aufnahmen gemacht.
Frankreich, Russland und der Balkan sind Hintergrund für teilweise
unter gefährlichen Umständen entstandene Momentaufnahmen, die besonders
bei Nachtaktionen erkennen lassen, dass es mehr um das Einfangen
heroischer Situationen als um die Grausamkeit des Krieges ging. Die
Propagandamaschinerie funktionierte sichtlich, aber daneben machte Walter
Henisch auch Aufnahmen der Bevölkerung und Porträts der Soldaten;
besonders am Balkan war die Lage weniger dramatisch, daher sind auch die
Brücke von Mostar oder verschleierte Frauen, Kinder, ja sogar
Schauspielerinnen und immer wieder die Familie auf Heimurlaub abgebildet.
Vor dem Krieg war Henisch bei internationalen Fotoagenturen tätig
gewesen und an die Kriegszeit schließen die Motive des Wiederaufbaus und
Wirtschaftswunders für die Wiener Bilderwoche und später für die "Arbeiter
Zeitung" an. Unter Franz Kreuzer als Chefredakteur nahm er die
sozialistischen Sportfeste des ASKÖ vor die Linse. Der Katalog der
Ausstellung "Brutale Neugier" im Atrium des Wien Museums Karlsplatz (bis
6. Jänner) macht deutlich, dass auch damals die Fotografie wieder für eine
neue Art der Propaganda benützt wurde: man bemühte sich, Österreich als
erstes Opfer Hiltlerdeutschlands mit "Unschuldsbildern" von Kindern
hinzustellen. Dazu die Ruinen und die Heimkehrer; dann ein
Staatsbesuch der Regierung im Kreml, der Bau der
Silvretta-Hochalpenstraße, der Beginn von Konsum und Werbung. Sohn
Peter Henisch beschreibt den Vater als Fotoreporter mit "Leib und Seele",
nie ohne Kamera unterwegs, ein "witziger Typ", extrem anpassungsfähig, die
Mutter hatte ihm einem gefälschten Ariernachweis besorgt und so kam er
grotesker Weise trotz jüdischer Herkunft in die Propagandaabteilung.
Der Text ist kritisch und beschreibt auch wie aus dem "Flunkerer" ganz
zuletzt ein tragischer Typ wurde, als die Begeisterung an der Fotografie
nachließ. Der Faszination, die von den Aufmärschen und der
Inszenierung der NSDAP ausging, ist Walter Henisch erlegen, wie viele
andere - aber eben auch als Fotograf: viele Brüche kennzeichnen dieses
Leben. Ein Sohn folgte der Berufung des Vaters, der andere hat nun für
den Katalog gemeinsam mit Christian Stadelmann, Regina Wonisch, Susanne
Breuss u. a. geschrieben. Bernhard Denkinger gestaltete den Innenhof
Dimitri Manikas' für die Schau mit einer Schiene von "Ausstellungsmöbeln"
um.
Erschienen am: 17.12.2003 |
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