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14.07.2003 - Kultur News
"Nicht als Dozent, sondern als Nitsch"
Der umstrittene Künstler glaubt, dass er bis an sein Lebensende lehren werde, auch ohne staatlichen Auftrag.


WIEN (apa). "Ich gehe nicht als Dozent in Pension, ich gehe als Nitsch in Pension", kommentierte Hermann Nitsch von Frankfurt aus seinen Abschied als Lehrbeauftragter der Frankfurter Städelschule. "Ich hatte ja hier (in Deutschland, Anm.) nie einen Status. Fünf deutsche Kulturminister haben zu verhindern gewusst, dass ich einen Professorenstatus erlange." Er würde sich auch dagegen verwehren, als Dozent oder Lehrbeauftragter bezeichnet zu werden. "Wenn schon nicht Professor, dann der Herr Nitsch - das ist ja eh viel besser. Übrigens auch der Status, den Beuys hier hatte."

Österreichischer Professorentitel

Dass er mittlerweile einen österreichischen Professorentitel trägt, habe es den Deutschen "sehr leicht" gemacht. So nämlich sei die Affäre um seine Bestellung in Deutschland kaum mehr im öffentlichen Bewusstsein. "Mein Traum wäre ja gewesen, in Österreich zu unterrichten", bekennt Nitsch. Aber das sei anfangs aus politischen Gründen unmöglich gewesen. "Und dann haben es die Kollegen auf der Angewandten und der Bildenden (der Universität der bildenden Künste, Anm.) verhindert. Da war niemand sehr scharf darauf, dass ich dort hinkomme."

Polemik von FPÖ

Obwohl das Klima seiner Arbeit gegenüber insgesamt "überall wesentlich besser" geworden sei und seine Arbeit viele Verehrer habe, gebe es trotzdem immer wieder Probleme, vor allem von politischer Seite. Die FPÖ, die immer besonders gegen ihn polemisiert hätte, sei zwar mit ihrem Antritt als Regierungspartei innerhalb der schwarz-blauen Koalition relativ still geworden. "Da haben sie aufgehört, mich zu schänden, das konnten sie sich in der Koalition nicht mehr erlauben."

"Vertrauen entzogen"

Dass ihm Staatsoperndirektor Ioan Holender aber das "Vertrauen entzogen" hat, wie "fast fix"angeboten, den "Parsifal" zu inszenieren, hänge möglicherweise auch mit dem Antritt von Schwarz-Blau in der Regierung zusammen, vermutet Nitsch. Immerhin sei er, da er auf eigenen Beinen stehe, nicht von den finanziellen Kürzungen unter der neuen Regierung im Kunstbereich betroffen - "was sehr schlimm geworden ist, vor allem für die Jüngeren und die Theaterleute und Literaten".

"Bis ans Lebensende lehren"

Einen Abschied vom Unterrichten überhaupt bedeute das Ende seiner Tätigkeit an der Städelschule nicht. "Ich habe mein ganzes Leben lang gelehrt, auch ohne staatlichen Auftrag, und ich werde auch wohl bis an mein Lebensende lehren, im Rahmen meiner Theaterarbeit. Der Umgang mit den jungen Menschen hat mir immer sehr viel Freude gemacht."

Nitsch-Retrospektive

Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich 2004 beim Zwei-Tage-Spiel - "für ein Sechs-Tage-Spiel reichen derzeit meine finanziellen Mittel nicht" - auf Nitschs Schloss Prinzendorf. Zuvor, kommenden Oktober, anlässlich von Nitschs 65. Geburtstag (am 29.8.) wird in der Sammlung Essl eine große Nitsch-Retrospektive stattfinden - "vielleicht die schönste Ausstellung, die ich je hatte". Dabei soll es auch eine "große Aktion mit vollem Instrumentarium" geben - "zum letzten Mal außerhalb von Prinzendorf, eine einmalige Ausnahme".



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