Salzburger Nachrichten am 16. Februar 2001 - Bereich: kultur
Mehr oder weniger nackt
Eröffnung der übersiedelten Kunsthalle im Wiener Museumsquartier
Mit Vanessa Beecrofts Interventionen im Raum präsentiert sich die
Kunsthalle, die bisher in einem Provisorium am Karlsplatz untergeracht
war, an jener Schnittstelle zwischen Bildender Kunst und Performances, die
wesentlich das Kunsthallen-Programm bestimmen werden. Die Architektur der
neuen Kunsthalle kommt jetzt schon besser heraus als auf den Plänen. Das
Konzept, sinnbildhafter Materialeinsatz und eine intelligente Mischung von
historischer Substanz und aktuellen Anforderungen, kann sich sehen lassen.
Mit Vanessa Beecroft setzt sich der erste Eindruck, den die
Architektur macht, fort. Auch ihr kann man Materialverliebtheit nachsagen.
45 mehr oder weniger nackte Mädchen zeigen nicht Persönlichkeit, sondern
Outfit. Die Künstlerin hat auf trainierte, begabte Körper verzichtet, die
Bewegungen im Raum werden von einer Truppe von Mädels vollführt, die einer
aktuellen Norm der Hübschheit entsprechen und sich relativ unspektakulär
in den Räumen bewegen. Die Koketterie liegt auch hier im Detail, denn ob
nackt oder mit mehr oder weniger Unterwäsche bekleidet: Alle Mädchen
überhöhen eine gewissermaßen normierte Figur mit High Heels.
Ob das Schuhwerk nun das Podest für die Kunstfigur sein kann,
erscheint insofern fraglich, weil gerade durch die endlos hohen schwarzen
Lederstiefel, die Helmut Lang gespendet hat, eine Signalwirkung ausgepielt
wird, die ins Rotlicht-Milieu verweist. Die unberührbaren Schönen können
drei Stunden lang betrachtet werden. Genug Zeit, um herauszufinden, ob die
Frau in solch uniformierten Posen überhaupt reizvoll ist. Möglicherweise
macht es doch mehr Spaß, zwischen rassigen, ätherischen, erotischen,
sportlichen, intellektuellen oder auch mehr oder weniger rundlichen Frauen
persönliche Vorlieben zu entwickeln.
Das Projekt zielt auf Sensation und auf Besuchermassen und wird
sich der Missverständnisse nicht entziehen können, weil es so nahe am
Vordergründigen liegt.
Der Kunstwert der Performance von Vanessa Beecroft ergibt sich erst
durch eingehendere Beschäftigung mit der gesamten Darstellung. Sie ist
heute, Freitag, ab 18 Uhr zu sehen. Die Kunsthalle ist Samstag und Sonntag
jeweils von 10 bis 20 Uhr für das Publikum frei zugänglich.
JANA WISNIEWSKI
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