Hauptausgabe vom 05.03.2002 - Seite 007
Heftige schwarzhumorige Bocksprünge

VON IRENE JUDMAYER

Ein grobes, verwittertes Holzbrett liegt vor dem Mann. Einen schwarzen Fettstift hält er in der Hand. Gedankenversunken nimmt er die Struktur des Holzbretts in sich auf, tastet die Hand über Maserungen, über Astlöcher, setzt den Stift an, zieht Linien nach, rumpelt Striche über Unebenes, umkreist dunkle Flecken. Astlöcher werden zu Mündern, zu Augen, Jahresringe zu Konturen, Maserungen geben Körper vor. Seltsame Wesen entstehen, fließen strichweise ineinander, übereinander.

"Das hat ihm ziemlich getaugt" - sagt Erich Spitzbart, ehemaliger Galerieleiter und leidenschaftlicher Aufspürer alter Rahmen und besagter alter Bretter über den Künstler Franz Blaas. Vier Jahre lang hat Spitzbart für Blaas ein derartiges Sammelsurium zusammengetragen. Eine reiche Fülle von darauf und damit entstandenen Arbeiten ist derzeit unter dem Überbegriff "Bretter, Hölzer und Kartons" in der Gmundner Galerie 422 zu sehen. Insgesamt 61 Werke, allesamt - so Franz Blaas zu den OÖN: "Spiele mit vorgegebenen Dingen".

Ein fettfleckiger vergilbter Karton birgt für ihn einen wahren Kosmos an bildnerischen Anregungen. Wobei sich zumeist Menschen und Tiere daraus entwickeln. Erst vor vier Monaten hat Blaas seine dichte zeichnerische Potenz bei einer großen Ausstellung in der Galerie Thiele bewiesen. Eine phantasievolle, mitunter in dunkle innere Abgründe reichende Potenz, die ihn in die Nähe eines Kubin stellt.

Hier in Gmunden vertieft sich dieser Eindruck und auch die materialbezogenen Impulse werden in einer überraschenden Unmittelbarkeit klar. Abgesehen von der Formensprache und den vielen schwarzhumorigen inhaltlichen Bocksprüngen des in Wien lebenden oberösterreichischen Meisters hat dafür auch ein gewisser Hubert Etter gesorgt.

Der kunstsinnige Schweizer hat mühevoll und in wahrer Fitzelarbeit wochenlang die unregelmäßigen Holzstücke nahtlos in Passepartouts aus dünnen naturfarbenen Sperrholzplatten intarsiert. Kleinste Ausbuchtungen, Schrägen und Hacker wurden dabei berücksichtigt, wie sich auch anhand der Abbildung leicht feststellen lässt.

Aus dieser gelungenen Kombination von penibler Präsentation und dem spontanen Phantasiefluss, der Blaas von den Augen in das Hirn in die Hand in den Stift auf das Holz geronnen ist, sei "Der kleine Zeichner" herausgegriffen. Ein fürwitziger Vogel, dem zwei Bleistifte wie teuflische Hörnchen aus dem Kopf ragen, wachsam gespitzt wie Hasenohren - treffliches Symbol für den "schrägen Vogel" und Zeichner Franz Blaas.

Galerie 422/Gmunden: bis 31. 3., Info: 07612 / 62 6 68.


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