Wien
(VN-sj) Mit "Televisions. Kunst sieht fern"
präsentiert die Kunsthalle Wien in ihren neuen Räumlichkeiten im
Museumsquartier eine großangelegte Ausstellung rund um eines der
weltweit populärsten Medien. Die publikumswirksame Schau lässt aber
viele Fragen, die im Rahmen einer Themenausstellung übers Fernsehen
zu stellen wären, unbeantwortet.
"Televisions" mit Arbeiten aus den letzten dreißig
Jahren versuche, so Kurator Joshua Decter, "das Ausmaß vor Augen zu
führen, in dem Künstler mit unterschiedlichem sozialen und
ideologischen Hintergrund sich - spielerisch und ernsthaft - mit dem
Fernsehen befasst haben". So reiht Decter nun im Rahmen seiner
"subjektiven Bestandsaufnahme" in der stimmigen
Ausstellungsarchitektur von veech.media.architecture - in Form
semitransparenter Wände mit Durchblicken in TV-Form - Arbeiten von
über hundert Künstler(gruppen) aneinander, die alle irgendwie mit
dem Thema Fernsehen zu tun haben.
Der Verzicht auf eine konkrete Fragestellung oder die Darstellung
einer historischen Entwicklung des Komplexes "Fernsehen" zugunsten
einer Austellungsstruktur, die auf rasches Zapping durch den
Besucher zielt, macht aber vor allem deren Redundanzen augenfällig.
Illusionsmaschinerie Fernsehen
So bevölkern Couch Potatoes in allen Variationen die
Ausstellung: unter anderem in der Person eines Kunstsammlers von
Ashley Bickerton, vor dem Fernsehgerät eingeschlafenen Frauen bei
Nan Goldin und Paul Graham, oder der Fotoarbeit eines Puppenhauses
von Laurie Simmons (1978) als Momentaufnahme der stereotypen
Lebenssituation einer Durchschnitthausfrau.
Als weitere gängige Topoi sind vertreten: Stilleben in seiner
modernen Ausformung mit Fernsehgerät, zum Beispiel von Louise
Lawler, sowie der Blick in die privaten Fernsehzimmer am Beispiel
einer Star Trek Party vom Art Club 2000. Fernsehen als
Illusionsmaschinerie thematisieren die Fotoarbeiten von Thomas
Demand mittels eines nachgebauten und von Peter Dombrowe anhand
eines realen Fernsehstudios. Mit dem Phänomen des Fernsehstars setzt
sich unter anderem Martin Kippenbergers großformatiges Gemälde einer
Autogrammkarte von Hans-Jörg Felmy, seinerzeit als langjähriger
Fernsehkommissar populär, auseinander.
"Good Evening", die globale Abschiedsformel der Moderatoren am
Ende der Nachrichten internationaler Fernsehsender, reiht sich in
der Videoarbeit von "Apsolutno" in monotonen Kurzsequenzen
aneinander; ähnlich wie in Julian Rosefeldts Arbeit "Global Soap",
in der simultan gezeigte Posen von Seifenoperndarstellern die
Einförmigkeit des Formats verdeutlichen sollen - eine Erkenntnis,
für die nicht unbedingt ein Ausstellungsbesuch notwendig ist.
Guerillafernsehen
Angesichts des großen "Programm"-Angebots in der
Ausstellung ist - ähnlich wie beim Fernsehen - die Verlockung groß,
über das schwieriger zu rezipierende Angebot hinwegzuswitchen; denn
auch das ist, trotz Decters Ansage, mit der Schau keine "Übung in
Kulturwissenschaften" zeigen zu wollen, durchaus vertreten: Die
medienaktivistische Gruppe "Paper Tiger Television", die in den 80er
Jahren mit selbstfabriziertem Guerillafernsehen eine Alternative zum
Medien-Mainstream produzierte, ist ebenso präsent wie Chris Burdens
1973 ausgestrahlter Werbespot in eigener Sache, in der der
gefesselte, in Glasscherben robbende Künstler die Vorstellung von
herkömmlichem Werbefernsehen sprengte.
Und wie schmal der Grat zwischen Subversion gegen und
Partizipation am System ist, wird am Beispiel von "Gala Committee"
deutlich: ohne Wissen der Produzenten von "Melrose Place" schleuste
die Künstlergruppe in heimlicher Zusammenarbeit mit dem Ausstatter
der TV-Serie Kunstwerke und Requisiten zu kulturellen und
politischen Themen ein; die anfängliche Unterwanderung mündete
später in eine Kooperation mit den Serien-Machern.
Inwieweit diese spröderen Arbeiten inmitten des Overkills an
flimmernden Mattscheiben, Maurizio Cattelans prominent platziertem
Esel mit umgeschnalltem Fernsehgerät und der poppigen,
überdimensionalen Fernsehzimmer-Installation von Pipilotti überhaupt
die Chance auf Wahrnehmung durch die Besucher zu haben, ist
allerdings die Frage.
Nan Goldin: "Shelley on her sofa". (Foto:
Goldin/Kunsthalle Wien)
Ashley Bickerton: "The Patron".