VN Sa, 3.11.2001

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Ausstellungskonzept: Mattscheibe

Kunsthalle Wien im Museumsquartier zeigt Fernseh-Kunst aus drei Jahrzehnten

Wien (VN-sj) Mit "Televisions. Kunst sieht fern" präsentiert die Kunsthalle Wien in ihren neuen Räumlichkeiten im Museumsquartier eine großangelegte Ausstellung rund um eines der weltweit populärsten Medien. Die publikumswirksame Schau lässt aber viele Fragen, die im Rahmen einer Themenausstellung übers Fernsehen zu stellen wären, unbeantwortet.

"Televisions" mit Arbeiten aus den letzten dreißig Jahren versuche, so Kurator Joshua Decter, "das Ausmaß vor Augen zu führen, in dem Künstler mit unterschiedlichem sozialen und ideologischen Hintergrund sich - spielerisch und ernsthaft - mit dem Fernsehen befasst haben". So reiht Decter nun im Rahmen seiner "subjektiven Bestandsaufnahme" in der stimmigen Ausstellungsarchitektur von veech.media.architecture - in Form semitransparenter Wände mit Durchblicken in TV-Form - Arbeiten von über hundert Künstler(gruppen) aneinander, die alle irgendwie mit dem Thema Fernsehen zu tun haben.

Der Verzicht auf eine konkrete Fragestellung oder die Darstellung einer historischen Entwicklung des Komplexes "Fernsehen" zugunsten einer Austellungsstruktur, die auf rasches Zapping durch den Besucher zielt, macht aber vor allem deren Redundanzen augenfällig.

Illusionsmaschinerie Fernsehen

So bevölkern Couch Potatoes in allen Variationen die Ausstellung: unter anderem in der Person eines Kunstsammlers von Ashley Bickerton, vor dem Fernsehgerät eingeschlafenen Frauen bei Nan Goldin und Paul Graham, oder der Fotoarbeit eines Puppenhauses von Laurie Simmons (1978) als Momentaufnahme der stereotypen Lebenssituation einer Durchschnitthausfrau.

Als weitere gängige Topoi sind vertreten: Stilleben in seiner modernen Ausformung mit Fernsehgerät, zum Beispiel von Louise Lawler, sowie der Blick in die privaten Fernsehzimmer am Beispiel einer Star Trek Party vom Art Club 2000. Fernsehen als Illusionsmaschinerie thematisieren die Fotoarbeiten von Thomas Demand mittels eines nachgebauten und von Peter Dombrowe anhand eines realen Fernsehstudios. Mit dem Phänomen des Fernsehstars setzt sich unter anderem Martin Kippenbergers großformatiges Gemälde einer Autogrammkarte von Hans-Jörg Felmy, seinerzeit als langjähriger Fernsehkommissar populär, auseinander.

"Good Evening", die globale Abschiedsformel der Moderatoren am Ende der Nachrichten internationaler Fernsehsender, reiht sich in der Videoarbeit von "Apsolutno" in monotonen Kurzsequenzen aneinander; ähnlich wie in Julian Rosefeldts Arbeit "Global Soap", in der simultan gezeigte Posen von Seifenoperndarstellern die Einförmigkeit des Formats verdeutlichen sollen - eine Erkenntnis, für die nicht unbedingt ein Ausstellungsbesuch notwendig ist.

Guerillafernsehen

Angesichts des großen "Programm"-Angebots in der Ausstellung ist - ähnlich wie beim Fernsehen - die Verlockung groß, über das schwieriger zu rezipierende Angebot hinwegzuswitchen; denn auch das ist, trotz Decters Ansage, mit der Schau keine "Übung in Kulturwissenschaften" zeigen zu wollen, durchaus vertreten: Die medienaktivistische Gruppe "Paper Tiger Television", die in den 80er Jahren mit selbstfabriziertem Guerillafernsehen eine Alternative zum Medien-Mainstream produzierte, ist ebenso präsent wie Chris Burdens 1973 ausgestrahlter Werbespot in eigener Sache, in der der gefesselte, in Glasscherben robbende Künstler die Vorstellung von herkömmlichem Werbefernsehen sprengte.

Und wie schmal der Grat zwischen Subversion gegen und Partizipation am System ist, wird am Beispiel von "Gala Committee" deutlich: ohne Wissen der Produzenten von "Melrose Place" schleuste die Künstlergruppe in heimlicher Zusammenarbeit mit dem Ausstatter der TV-Serie Kunstwerke und Requisiten zu kulturellen und politischen Themen ein; die anfängliche Unterwanderung mündete später in eine Kooperation mit den Serien-Machern.

Inwieweit diese spröderen Arbeiten inmitten des Overkills an flimmernden Mattscheiben, Maurizio Cattelans prominent platziertem Esel mit umgeschnalltem Fernsehgerät und der poppigen, überdimensionalen Fernsehzimmer-Installation von Pipilotti überhaupt die Chance auf Wahrnehmung durch die Besucher zu haben, ist allerdings die Frage.

Nan Goldin: "Shelley on her sofa". (Foto: Goldin/Kunsthalle Wien)

Ashley Bickerton: "The Patron".




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