Secession: Hintersinnige Arbeiten von Marc Camille Chaimowicz, Michael Ashkin, Vãtãmanu & Florian Tudor
Raumanalysen und Denkfiguren
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Die immergleichen Aufstände: Auch mit diesen Bildern dokumentiert das
Duo Mona Vãtãmanu & Florian Tudor den nahtlosen Übergang der
Ideologien. Foto: V ãtãmanu /Tudor
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00087221-Dateien/wzfeld.gif)
Wieder einmal setzt sich die Wiener Secession plastisch damit
auseinander, was für Ideologien im 20. Jahrhundert über diesen einst
revolutionären Kunst-Tempel gestülpt wurden.
"Lang lebe und
gedeihe der Kapitalismus" steht auf einem roten Transparent über dem
Eingang – und ist eigentlich nur die zeitgemäße Variante eines
kommunistischen Slogans, den das rumänische Künstlerduo Mona Vãtãmanu
& Florian Tudor im grafischen Kabinett zeigt. Nahtlos geht es von
der einen Ideologie zur nächsten – was auch fünf Bilder der ewig
gleichen Aufstände ("Riots") unterstreichen.
Unwirtliche Mini-Welt
Diese "Politik des Erinnerns" greift auch der Amerikaner Michael
Ashkin in seinen aktuellen Beiträgen für die Secession auf. Seine
Modelle aus Recycling-Karton zeigen unter anderem
Gefängnisarchitekturen in einer Papp-Landschaft: eine Geschichte der
Verunsicherung und Überwachung an Orten, die der römische Philosoph
Seneca wohl als "locus horridus" (Wüstenei) beschrieben hätte.
Die ganze Secessions-Galerie verwandelt sich in eine anonyme
Mini-Welt des Unwirtlichen – mit typisch postindustriellen Bauten in
scheinbar willkürlicher Anordnung, wie Ashkin sie für die Documenta 11
fotografisch dokumentiert hat.
Auch seine "Plazas" mit ihren düsteren Türmchen reflektieren
augenfällig auf Michel Foucaults Texte zu Gefängnissen und Überwachung.
Architektonische Anordnungen, die dafür typisch sind, werden via Google
Earth zahlreich sichtbar.
Grazile Hinterfragung
Die "weibliche" Seite der Secession – das Ornament der Wiener
Werkstätte – hat sich daneben den Hauptraum des Hauses zurückerobert.
Freilich nicht ohne Hintersinn. Zwar verbindet die Rauminstallation von
Marc Camille Chaimowicz Möbel, Vorhänge, Schirme und Wandtapeten
vordergründig zu einer Art Superdesign. Die Hinterfragung der ehedem
konnotierten Begriffe "häuslich", "privat" und "feminin" macht die in
Pastell getauchte Raumlandschaft allerdings kritischer, als sie scheint.
Chaimowiczs Auseinandersetzung mit dem traditionellen
Geschlechterverständnis um 1900 zeitigte auch einen Mies van der Rohe
gewidmeten "Curtain (For MvdR)". Alles ist dem Idealstil des Grazilen
und Eleganten nahe – in einer ästhetischen Zwischenzone, die Mann und
Frau gleichermaßen verunsichert.
Ausstellung
Michael Ashkin, Marc Camille Chaimowicz u. a.
Secession
http://www.secession.at
bis 24. Jänner
Printausgabe vom Freitag, 20. November 2009
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