Bawag Contemporary zeigt den Prozesskünstler Franz Erhard Walther
Die Kunst umschreiben
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524 Mal Kunst: Die Seiten der Autobiografie von Franz Erhard Walther
verweisen im Bawag Contemporary auf einen ewigen Revolutionär. Foto:
Bawag Contemporary
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00085941-Dateien/wzfeld.gif)
Senioren können aufatmen: Wenn es nach Franz Erhard Walthers
Kunstauffassung geht, dann gehören sie nur dann zum alten Eisen, wenn
ihre Gedanken unbeweglich sind.
Der heuer 70-jährige
Konzeptkünstler hat schon in den 60er Jahren den Prozess, der zur Kunst
führt, als Ersatz für die schöne Ware propagiert. Vor seiner
performativen Tätigkeit knickte, faltete, klebte, stapelte und
schichtete er verschiedene Materialien, die er teils nach dem
Zufallsprinzip mit Flüssigkeiten durchtränkte.
Selbst auf Leinwände angewandt, war dieses Prozedere von Walther
aber nicht destruktiv gemeint, sondern sollte die Perspektive auf Kunst
verändern. Das war allerdings an der Städelschule in Frankfurt derart
revolutionär, dass ihn sein Lehrer 1962 exmatrikulierte.
Beys als "Dieb"
Walthers Autobiografie "Sternenstaub – ein gezeichneter Roman" (2007/
08) macht klar, dass ihr Verfasser noch immer die Kunstgeschichte
umschreiben will. In der Ausstellungsserie "Young and Reckless"
präsentiert Walther nun ein Faksimile der Kunstbuchausgabe, die im
Herbst in der Edition Ritter in Klagenfurt erscheinen wird: 524 Blätter
im A4-Format hat er an drei Wände der Bawag-Contemporary-Galerie
geheftet. Kuratorin Brigitte Huck beweist damit eindrucksvoll, dass
Lebensjahre nicht über die Frische der Kunst entscheiden.
Wie die junge Generation zeichnet und schreibt der für Generationen
einflussreiche Lehrer der Hamburger Akademie mit Bleistift, in betont
gleichförmigem Wechsel von Bild und Text.
Hier wird die Genese seines erweiterten Kunstbegriffs in den 60ern
aber auch mit berühmten Kollegen, die zum Teil längst verstorben sind,
in Beziehung gebracht: Walther telefonierte mit Marcel Duchamp kurz vor
dessen Tod, auch Barnett Newman gehörte zu seinen Diskutanten; und
Joseph Beuys wird hier als Dieb jener Innovationen genannt, die das
Stapeln von Filz betreffen – sowie einer Denkweise, die das Kunstwerk
bereits als Idee plastisch ausgeformt sieht.
Zu den A4-Seiten gesellen sich im Bawag Contemporary auch Schnüre:
Werkstücke, die Walther in Zimmern aufspannte, damit die
vorgezeichneten Bahnen ihre Benutzer zu Reflexionen über Raum, Zeit,
Material und Gewicht anregen.
Enorme Einflusskraft
Franz West hat sich mit seinen Pass-Stücken aus Gips an Walther
orientiert, auch Rachel Whiteread (von ihr stammt das Denkmal auf dem
Judenplatz) kann als prominente Schülerin gelten; aus der jüngeren
Generation wäre Jonathan Meese zu nennen.
Gerhard Richter, Sigmar Polke und Konrad Lueg wiederum waren
Kollegen an der Düsseldorfer Akademie ab 1963. In der Kunstgeschichte
Walthers sind sie die positiven Begleiter, vor allem Lueg, der die
schwer verkäuflichen Prozess- und Konzeptarbeiten Walthers in seiner
Galerie ausstellte.
Trotzdem wird mit der Schau im Bawag Contemporary klar, dass die
experimentellen und konzeptuellen Arbeiten nicht so
öffentlichkeitswirksam waren wie die Auftritte von Beuys oder Andy
Warhol.
Heute ist aber evident, dass für die junge Künstlergeneration oft
die stillen Wegbereiter eines neuen Werkbegriffs wichtiger sind als die
Herren mit Markenzeichen.
Ausstellung
Young and Reckless 8:
Franz Erhard Walther Brigitte Huck (Kuratorin) Bawag Contemporary
Barnabitengasse 11-13, 1060 Wien Täglich 14 bis 20 Uhr, Eintritt frei;
bis 2. August
Printausgabe vom Freitag, 17. Juli 2009
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