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Kunstberichte

Galerien live

Kitsch happens

(cai) Eigentlich ist heuer ja das Jahr des Erdballs. Unser Kontinent hat da aber anscheinend was gründlich missverstanden. Und feiert stattdessen den Fußball. Tja, da wird es wohl oder übel auch auf der Opernbühne bald nur noch um Leben und Tor gehen. ("Tooor! Tooor! Tooor! I wea wagnerianisch!")

Wagners Walküren (diese Talent scouts) klauben nach einem harten Match die Spieler vom Rasen auf und verschleppen sie nach Ballhall, also ins Stadion des FC Asen, während die Philharmoniker den Ballkürenritt auf der Trillerpfeife blasen. Dem Regisseur ist es natürlich völlig egal, dass ein Kicker nach einem Balltretspiel weniger eine Walküre nötig hat als eine Pediküre. Da konnte Gudrun Kampl, als sie das letzte Opernballplakat gestaltet hat, ja gar nicht anders, als ein Motiv aus der "Salome" zu nehmen, just aus jener Strauss-Oper, die die Dauer von einem Fußballmatch mit zehn Minuten Nachspielzeit hat. Was der Page der Salome überreicht, ist zwar keine Wuchtel, könnte aber durchaus der Kopf des gegnerischen Stürmers sein (von Johannes, dem Läufer).

In der Galerie Steinek hat Kampl noch weitere markante Opernszenen in so etwas wie Schattentheaterbühnen verwandelt, Karton mit sinnlich-schwülstigem Samt überzogen. Und zelebriert die pompösen Bühnengefühle. Ihre Walküre, eine Brustmuskelprotzin (ein weiblicher Conan – Silicona, die Barbarin?), schaut freilich nicht so aus, als könnte sie hojotohohen. An unsre niedersten Grapsch-Instinkte appelliert Kampl. Ihre gepolsterten Herzen (aus Don Giovannis Trophäen-Kollektion?) muss man einfach mit den manuellen Sehorganen betrachten (mit den Fingern). Ebenso die barocken Ach-und-weh-Gedichte, die sie an die Wand geschnörkelt hat. Mit ausgestopften Arterien. (Keine Angst: Die sind auch aus Samt.) Eine Meisterin des Tragikitschigen eben.

Galerie Steinek
(Eschenbachgasse 4)
Gudrun Kampl
Bis 7. März
Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr

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Der Malerlehrling

(cai) Wie jammerte der Zauberlehrling doch gleich: "Die ich rief, die Alten Meister, werd ich nun nicht los" (oder war das der Maler lehrling?). Man könnte jedenfalls eine Paranoia kriegen. Die Gestalten aus diversen Ölschinken stellen einem ja praktisch nach. Vieles von dem, was in den Bildern von Isa Schmidlehner herumgeistert, kommt mir zumindest vage bekannt vor. Der Hofzwerg etwa oder das Pony, das sich aufbäumt (wahrscheinlich mit einem spanischen Infanten drauf). Was genau die da zu suchen haben, kann ich zwar auch nicht befriedigend erklären (die Gemälde werden sich ja nicht einem "Delirium pingens" verdanken, einem fieberwahnartigen Maldusel, wo die Künstlerin der Kunstgeschichte hilflos ausgeliefert ist), was hingegen offensichtlich ist, ist die geradezu sensationelle, erstaunlich nuancenreiche Pinselarbeit. Einem Bild reicht es gar, so blass und dezent zu sein wie ein unaufdringliches Parfum.

Galerie Meyer Kainer
(Eschenbachgasse 9)
Isa Schmidlehner
Bis 5. März
Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr

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Zappelphilipp in Japan

(cai) Er zuckt aus, kleckert, spritzt um sich. Rambo? Ja. Und der Hans Staudacher. Aber Letzterer ist ein etwas menschenfreundlicherer Stimmungsexpressionist. Seit heuer ist er 85, Grund genug für den Gerersdorfer, eine kleine Auswahl aus dem Lebenswerk zu treffen. (Damit man sieht: Der Staudacher war ja immer schon gut.) Abstrakte wildromantische "Gedichte" in freien Rhythmen (oder Psychostenogramme?). Manche davon (die sentimentaleren, die natürlich trotzdem nicht so beruhigend sind wie Bockschauen mit dem Goldfisch) könnte man sicher auch in Haikus übersetzen (irgendetwas über das Zappeln der Essstäbchen in der Reisschale eventuell). Hiermit oute ich mich als Fan.

Galerie Gerersdorfer
(Währinger Straße 12)
Hans Staudacher
Bis 1. März
Do. bis Sa. 11 bis 20 Uhr

Mittwoch, 27. Februar 2008

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