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24.01.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellung O. k. Centrum Linz: "Shalom, Baby"
Das Linzer O. K. Centrum zeigt eine Werkschau der palästinensischen Künstlerin Emily Jacir. Berührend, persönlich, ungebremst parteiisch.

D
ie Kamera wackelt, sie filmt aus einem Loch in einer Handtasche. Schritte in Stiefeln vor einem, san dige Straße unter einem, der Lauf eines Maschinengewehrs zieht seitlich durchs Video - acht Tage filmte Emily Jacir heimlich ihren täglichen Zwei-Kilometer-Fußweg von ihrer Wohnung zur Universität in Birzeit. Sie muss den Kontrollpunkt Surda, nahe Ramallah, passieren. Einer von 150 Checkpoints im besetzten Palästina. Alltag: Ausnahmezustand.

12 Uhr Mittags. Menschen kreuzen den Platz, Autos parken ein, stoppen bei der roten Ampel. Plötzlich: Sirenen-Geheul. Doch nichts passiert. Warum auch? Wir sind in Linz, es ist Samstagmittag. Die Sirenen-Probe läuft ab als wöchentliches Ritual, niemand schreckt mehr zusammen - sehr wohl aber die palästinensische Künstlerin Jacir, die im Linzer O. K. Centrum einige Monate als Artist-in-Residence verbrachte. Seltsame Gegenwelt - Jacir musste sie festhalten, aus der Vogelperspektive. Das Video "Nothing will happen (eight normal Saturdays in Linz)" ist in der Werkschau der 1970 geborenen, in Ramallah und New York lebenden Künstlerin zu sehen. Die Ausstellung ist der Gegenpart zur Schau israelischer Künstler 2003, beide kuratiert von Stella Rollig. Doch im Gegensatz zu den auch selbstkritischen israelischen Arbeiten, widmet Jacir ihr Werk einseitig dem Schicksal ihres Volkes.

Zeitungsausschnitte der New Yorker "Village Voice" irritieren: Über anonyme Inserate scheinen im Ausland lebende Palästinenser zu versuchen, durch Heirat mit einem Israeli wieder in ihre Heimat zurückzukehren: "Shalom, Baby". Eine Fake-Aktion der Künstlerin - "Sexy Semite", 2000-2002. Ein Flüchtlingszelt bestickte Jacir mit den Namen der 1948 zerstörten palästinensischen Dörfer. Zum Video einer Fahrt durch die Wüste kann aus 51 Liedern - amerikanischen, arabischen - der Soundtrack ausgesucht werden. Eine Liste, die Jacir aus Antworten zusammengestellt hat: "Wenn Du frei wärst, eine Stunde zu fahren, ohne vom Militär angehalten zu werden - welchen Song würdest du hören?"

Jacir kann sich in Israel und den besetzten Gebieten mit ihrem US-Pass relativ frei bewegen. Mit der Frage "Was kann ich für dich tun, wohin kannst du nicht fahren?" beginnt ihre Foto-Serie "Where we come from". Auf Wunsch besucht sie die Mutter, geht auf Dates mit der Telefon-Freundin - und steigt auf den Berg Carmel in Haifa, um aufs Meer zu schauen. Kunst, die berührt, aber auch manipuliert.

Bis 15. Februar. Di.-Do. 16-22 Uhr, Fr. 16-24 Uhr, Sa./So. 10-18 Uhr.

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