24.05.2003 11:00
"Das Joanneum ist ein spezialisierter
Konzern"
Peter Pakesch im STANDARD-Interview
über das steirische Landesmuseum, das er seit Jänner leitet
Vor einem Vierteljahrhundert, exakt 1979, gestalteten Peter
Weibel und Peter Pakesch in Graz die Ausstellung "Kunst im Schaufenster". Jetzt
haben die beiden wieder einmal beruflich miteinander zu tun. Denn Pakesch, 1955
in Graz geboren, ist seit Jänner der künstlerische Direktor des steirischen
Landesmuseums Joanneums, das 1811 von Erzherzog Johann gegründet wurde und fast
unüberschaubare Größe erlangte: Es ist auf mehrere Standorte verteilt und
besteht aus 17 Sammlungen. Eine davon ist die Neue Galerie mit Weibel als
Chefkurator. Er ist auch der Gegenspieler von Pakesch, der sich als Galerist in
Wien (1981-1993) einen Namen in der Szene gemacht hatte und zuletzt, seit 1996,
die Kunsthalle in Basel leitete.
Das Joanneum war von der Politik lange
Zeit vernachlässigt worden. Doch seit einigen Jahren wird renoviert wie
reformiert. Und Gerhard Hirschmann, bis vor kurzen für die steirische
Kulturpolitik zuständig, ließ das Museum ausgliedern: Das Joanneum, dem das neue
Kunsthaus zugeschlagen wurde, wird jetzt als GmbH geführt. Nach vielen
Schließjahren wurde nun das Volkskundemuseum wiedereröffnet. Aber noch viele
Schritte harren der Umsetzung.
STANDARD: Sie sind ein
Spezialist für zeitgenössische Kunst. Was haben Sie denn mit Volkskunde am
Hut?
Pakesch: Mich interessiert die Materie, wie sie sich auch
innerhalb der Volkskunde wissenschaftlich darstellen lässt, wobei wir ja immer
mit der Ästhetik der jeweiligen Zeit der Präsentation konfrontiert sind. So ist
das Material in einen gegenwärtigen Bezug zu setzen. Da glaube ich, etwas
einbringen zu können. Andy Warhol, eine Ikone der heutigen Kunst, war ein großer
Sammler von Volkskunde und hat sich Zeit seines Lebens darauf bezogen. Ich habe
viel mit Mike Kelley gearbeitet, der ein Meister der Auseinandersetzung mit
Trivialkultur ist. Mit ihm kann ich mir durchaus ein Projekt vorstellen.
STANDARD: Am Joanneum gibt es die unterschiedlichsten Sammlungen:
Jagd, Römerfunde, Mineralien, Urgeschichte. Und Sie sind kein
Wissenschaftler.
Pakesch: Es gibt sicher auch Bereiche, mit
denen ich weniger zu tun habe, aber Fachleute in den Abteilungen und mit
Wolfgang Muchitsch einen wissenschaftlichen Leiter. Das Museum ist auch ein Ort
vielfältiger Zugänge. Mich interessiert die Universalität des Joanneums, die es
in Europa einzigartig macht, seine Komplexität und damit die Möglichkeit, zum
Beispiel Volkskunde und Gegenwartskunst miteinander spielen zu lassen. Ich will
Prozesse auslösen, die das Museum dialogischer werden lassen.
STANDARD: Sie sehen die Universalität als Vorteil. Das Joanneum
ist aber auch ein monströser Gemischtwarenladen: Aufgrund der vielen Abteilungen
gibt es divergierende Interessen - und viele Intrigen.
Pakesch:
Wir stellen uns vor, durch Transparenz, Kommunikation und klare Strukturen
das Haus entsprechend harmonisch zu führen und damit Intrigen hintanzuhalten, so
wie es zum Beispiel in der Wirtschaft möglich ist. Wenn Insuffizienzen der
Vergangenheit - Sammlungen waren geschlossen und Mitarbeiter zur Untätigkeit
verurteilt - solches Verhalten begünstigt haben, müssen wir dem entgegen wirken.
Inhaltlich war einiges am Reformversuch meiner Vorgängerin Barbara Kaiser sehr
sinnvoll, aber aufgrund der verkrusteten Strukturen schwer durchzusetzen: Das
Joanneum war Teil der Landesverwaltung. Ohne die Ausgliederung hätte ich die
Aufgabe nicht übernommen: Mit der GmbH lässt sich viel effizienter arbeiten.
STANDARD: Die Töchter eines Mischkonzerns agieren oft autonom.
Wäre das für das Joanneum denkbar?
Pakesch: Im Prinzip ist an
weitgehende Autonomie gedacht. In einem Mischkonzern sind aber die
Geschäftsfelder derart unterschiedlich, dass die einzelnen Abteilungen wenig
gemeinsam haben. Das Joanneum hingegen ist aber, um in dieser Sprache zu
bleiben, ein spezialisierter Konzern, einzelne Abteilungen sind einander
strukturell ähnlich: Es wird gesammelt, ausgestellt und wissenschaftlich
gearbeitet. Die einzelnen Produkte, die wir anbieten sind inhaltlich
unterschiedlich. Da müssen wir auch ansetzen und die Identifikation stärken. Im
Vergleich zu Basel fällt mir auf, dass in der Öffentlichkeit ein viel zu
geringes Bewusstsein für die Sammlungen und deren Bedeutung vorhanden ist.
STANDARD: Am Joanneum gibt es mit Chefkurator Peter Weibel einen
zweiten Fachmann für zeitgenössische Kunst. Wird es zum Hahnenkampf
kommen?
Pakesch: Natürlich gibt es unterschiedliche Positionen,
aber ich habe bisher keine gröberen Differenzen festgestellt. Wir arbeiten
übrigens zur Zeit an einem gemeinsamen Ausstellungsprojekt für das Kunsthaus.
STANDARD: Gab es nicht angesichts der Eröffnung "Phantom der
Lust" von Weibel kuratiert, einen internen Streit, wer die Ausstellung eröffnen
darf?
Pakesch: Es gab interne kommunikative Schwierigkeiten. Es
ging nur um eine Begrüßung. Aber ich war damit, dass Weibel als Kurator allein
eröffnet, völlig einverstanden.
STANDARD: Das Kunsthaus sollte,
so die kulturpolitische Überlegung, der Neuen Galerie zur Verfügung stehen. Nun
ist es aber vor allem Ihre Spielwiese.
Pakesch: Davon weiß ich
nichts. In Basel habe ich die steirische Kulturpolitik nicht verfolgt.
STANDARD: 2001 haben Sie in Graz eine große Ausstellung für den
"steirischen herbst" kuratiert. Noch bevor VP-Landeskulturreferent Gerhard
Hirschmann die Ausschreibung veröffentlichte, standen Sie als Direktor fest. Wie
gehen Sie damit um, nicht aufgrund eines demokratischen Verfahrens zum Direktor
ernannt worden zu sein, sondern aufgrund einer parteipolitischen
Entscheidung?
Pakesch: Mir persönlich wäre es natürlich lieber
gewesen, wenn mein Kontakt zu Hirschmann nicht an die Öffentlichkeit gelangt
wäre. Wenn man nichts von mir gewusst hätte, hätten sich vielleicht auch andere
Kandidaten gefunden. Es wäre sicher interessant gewesen, mich gegen einen
gestandenen Museumsmann abzuwägen.
STANDARD: Das gewölbte
Kunsthaus ist ein spektakuläres Gebäude - und braucht wohl ebensolche
Inhalte.
Pakesch: Ich denke, das Programm wird spektakulär
werden, den Räumen entsprechend, die wir am Anfang erst einmal abtesten müssen.
Denn sie sind im Obergeschoss sehr eigenwillig.
STANDARD: Das
klingt irgendwie negativ.
Pakesch: Nein, das wollte ich nicht
ausdrücken. Die Räume sind sehr offen und damit unglaublich flexibel. Darin sehe
ich auch eine große Qualität. Nur: Wir müssen mit ihnen leben lernen. Das
Kunsthaus ist kein White Cube wie die Basler Kunsthalle. Dementsprechend ist
auch das Programm angedacht: Die erste Ausstellung Ende Oktober setzt sich mit
der Wahrnehmung auseinander. Ich plane auch eine große Installation mit Sol
LeWitt, der wie kaum ein anderer große Räume zu beherrschen imstande ist.
STANDARD: Abgesehen von der Neuen Galerie waren die Ausstellungen
des Joanneums in den letzten Jahren zum Teil sehr schlecht besucht. Was ist Ihr
Ziel?
Pakesch: Aufgrund des Kulturhauptstadtjahres haben wir heuer
sehr viele Besucher. So ein Ergebnis wird allerdings nicht leicht zu halten
sein. Wir hoffen daher, in fünf Jahren, wenn die erste Vertragsperiode gelaufen
ist, die selben Zahlen wieder zu erreichen. (ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe,
24./25.5.2003)