Belvedere 2011: Eröffnung des Zwanzgerhauses
erfordert reduziertes Ausstellungsprogramm
Belvedere sucht Geld für Revolution
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Noch verhüllt: Das Zwanzgerhaus beim Arsenal als "Museum of Revolution".
Foto: Sternisa
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Von Brigitte
Borchhardt-Birbaumer
Zwanzgerhaus
als kreatives Labor im neuen Stadtviertel.
Budget wird beim Ausstellungsprogramm des
Belvedere abgezogen.
Wien. Die künstlerische Intervention von
Marko Lulic auf dem neuen Büroturm des im Herbst nach dem Umbau
wiederzueröffnenden "Zwanzgerhauses" lautet "Museum of Revolution". Sie
wird noch bis Februar kommentieren, was sich die in Österreich tätigen
Gegenwartskünstler von diesem besonderen Ort auch in Zukunft erwarten.
Die erste Revolution war bereits die Errichtung eines Museum des 20.
Jahrhunderts nach 1945, wobei die Erhaltung des Expo-Pavillons für die
Weltausstellung in Brüssel 1958 von Architekt Karl Schwanzer wesentlich
ist. Ein Bau von internationalem Niveau, der im Schweizergarten von ihm
adaptiert wurde.
Nun hat für heutige Erfordernisse sein Schüler Adolf Krischanitz eine
neuerliche Veränderung vorgenommen. Sein Büroturm ist dabei heftig
diskutiert worden wie alle Türme, die in Wien entstehen, wobei aber die
Innenstadt sensibleres Terrain ist. Die nebenan um vieles höher
geplanten Bürowelten um den Zentralbahnhof werden dieses Signet des
neuen Museums notwendig machen.
Holte die Moderne nach Wien
Gründungsdirektor Werner Hofmann hatte mit Enthusiasmus eine erste
Sammlung aufgebaut und von 1961 bis 1969 mit legendären Ausstellungen
die Moderne in das dabei etwas nachhinkende Wien geholt. Dieser zweiten
Revolution folgte aber ein jäher Abschied in Richtung Hamburg, weil der
Staat sich keine Erhöhung des Budgets leisten wollte. Nun bleibt zu
hoffen, dass die jetzige Revolutionsansage und der Enthusiasmus der
Wiedererrichtung nicht wieder an Budgetfragen hängen bleiben. Für 2011
ist die Erhöhung der Basisabgeltung für das Belvedere seitens des
Ministeriums geringer als für das Mumok oder das Mak, was verwundert.
Direktorin Agnes Husslein-Arco muss in diesem Jahr fünf Ausstellungen
streichen, um die Mittel für das neue Museumsgebäude und seine
Infrastruktur auch aus eigener Kraft mit aufzubringen. Gibt es 2012
keine markante Erhöhung, werden wohl noch mehr Einbußen passieren,
weniger Ausstellungen könnte den Standort wieder gefährden und auch ein
Nichtnachbesetzen von Posten droht.
Sponsoren werden mit einer Aktion von 30 zu vergebenden Bausteinen
für je 25.000 Euro also dringend gesucht – die Unterstützer bekommen
dafür unter anderem eine Lounge im Büroturm für Veranstaltungen zur
Verfügung gestellt. Der Skulpturengarten soll – auch wenn die ehemaligen
Bestände im Mumok lagern – neu bestückt wieder erstehen, sogar eine
Öffnung zum Park hin wird angedacht. Die integrierte Wotruba-Sammlung
bietet da einen Ausgangspunkt, aber auch in den Neuzugängen des letzten
Jahres ist mit der Scherenskulptur "Die Doppelgängerin" von Valie Export
oder Dauerleihgaben wie jenen von Franz West ein Gegenüber von
klassischer Moderne und Gegenwartskunst gesichert – internationale
Vergleichswerke werden sich wohl auch hier wie in der gesamten
Ausstellungsprogrammatik anschließen.
Spannende Eröffnung
Die illustre Nachbarschaft zu einer Kunsthalle des T-B A21 von
Francesca Habsburg ist zwar noch nicht fixiert, wäre aber natürlich ein
Gewinn, weil der Synergieeffekt mehr Besucher in das neue Stadtviertel
ziehen könnte. Die besondere Architektur des Zwanzgerhauses mit einem
Kinosaal und somit historischen wie zukunftsträchtigen Aspekten bietet
Inhalte für eine Eröffnungsausstellung, wobei das Archivmaterial in
diesem Fall Spannendes erwarten lässt. Das weitere Programm erstellen
zwei neue Kuratorinnen: Cosima Rainer, in Wien schon bekannt als
Kuratorin der Generali Foundation, und Bettina Steinbrügge, die in
Lüneburg und Genf tätig war. Das Credo beider schließt jedenfalls
sympathisch an das "kreative Labor" Werner Hofmanns und Harald Szeemanns
im 21. Jahrhundert an und meint damit auch die Vielfalt der
Kunsterweiterung in Richtung Film, Comics, aber auch kulturpolitische
und soziologische Themen wie ehedem auch "Weltraum".
Sinnvolles Anknüpfen ist sicher die realistischere Devise als
vollmundige Neustrukturierung – die Revolution wird also nur in Sachen
Geldmittel erwartet.
Das Programm
Das Belvedere hat demnächst viel vor: Das Wotruba-Archiv wird 2012
eröffnet, die Artothek erst ein Jahr später, der Skulpturengarten im
Belvedere wird reaktiviert. Den in unmittelbarer Nachbarschaft
entstehenden Stadtteil beim Hauptbahnhof sieht Direktorin Husslein "als
große Chance", schließlich entstehe gleichzeitig ein bis zum Karlsplatz
reichender Museums- und Parkparcours: "In drei Jahren wird es grandios."
Derzeit wird im Unteren Belvedere eine Wohnung für das neue
Curator-in-Residence Programm, für das als Erste ab April Martha
Kirszenbaum eingeladen wird. Sieben Werksverzeichnisse seien in
Bearbeitung. Jenes zu Josef Danhauser, dem ab 22. Juni eine Ausstellung
gewidmet ist, wird heuer fertig.
"DYNAMIK! Kubismus / Futurismus / KINETISMUS" eröffnet als Werkschau
zur Abstraktion in Wien zwischen 1919 und 1929 (10.2.–29.5.) im Unteren
Belvedere das Ausstellungsprogramm 2011, ab 17. Februar folgen dort
"Egon Schiele. Selbstporträts und Porträts": "Es ist noch nie eine
wissenschaftliche Ausstellung dazu gemacht worden", so Husslein, die
gemeinsam mit Jane Kallir kuratiert. Das Wien Museum (im Künstlerhaus)
und das Belvedere beleuchten gleichzeitig Makart ("Makart. Maler der
Sinne", Unteres Belvedere, 6.6.–9.10.): "Bei uns wird u.a. der Aspekt
des Einflusses der französischen Malerei beleuchtet." Mit einer
Ausstellung zu Curt Stenvert (ab 5.10.), einem Vertreter der
österreichischen Nachkriegsavantgarde, "wollen wir ihm wieder zu dem
Stellenwert verhelfen, der ihm gebührt", ehe man mit "Gustav Klimt /
Josef Hoffmann – Pioniere der Moderne" im Unteren Belvedere
(25.10.–4.3.2012) das Klimt-Jahr 2012 einläutet.
Zu den Highlights der kommenden Jahre zählen eine Schau zu "Gold" in
der Gegenwartskunst und die gemeinsam mit der Hamburger Kunsthalle
erhellte "Nacht" (2012), "Frauenbilder" und eine große Schau zu Paul
Gauguin (2013) sowie eine Ausstellung zum "Wiener Kongress" (2014).
Website
Belvedere
Printausgabe vom Donnerstag, 13.
Jänner 2011
Online seit: Mittwoch, 12. Jänner 2011 19:23:00