Völkerkundemuseum: Baileys Installation "Exhibit
A: Deutsch-Südwestafrika"
Der Mensch als Schauobjekt
|
Brett Bailey bedient sich an den "Ethnographischen Schaustellungen" des
19. Jahrhunderts, um den Blick auf Afrika zu sensibilisieren: Reale
Menschen als Ausstellungsrequisit. Foto: Nurith Wagner-Strauss
|
Von Hilde
Haider-Pregler
![Aufzählung Aufzählung](00089268-Dateien/wzfeld.gif)
Im späten 19.
Jahrhundert konnten gewiefte Unternehmer mit "Ethnographischen
Schaustellungen" das große Geld machen. Carl Hagenbeck reiste als Erster
mit seinen Völkerschauen durch die Lande, und das Publikum strömte
herbei, um von der westlichen Zivilisation noch unberührte, aus den
fernsten Gegenden zwischen Lappland, Afrika und Feuerland herbeigeholte
Menschen wie Tiere im Zoo zu bestaunen.
Im Fin-de-siècle-Wien drängten sich zum Beispiel die Massen in einem
"Aschanti-Dorf", wo "Eingeborene" von der Goldküste bei ihrem
Tagesablauf zu beobachten waren. Sogar ein Peter
Altenberg stellte
sich hier ein und bewunderte vor allem die jungen Frauen, die ihm wie
"unvergessliche Paradieses-Menschen" erschienen.
Schicksal der indigenen Bevölkerung zur
Kolonialzeit
Etwa zur gleichen Zeit, als in Europa die Völkerschauen boomten, fand
in Namibia, damals eine deutsche Kolonie, der erste Genozid des 20.
Jahrhunderts statt, als die kaiserlichen Truppen mit unvorstellbarer
Härte gegen die aufständischen Herero ins Feld zogen,
Konzentrationslager errichteten und nicht einmal Frauen oder Kinder der
zu Hunderttausenden ausgerotteten indigenen Bevölkerung verschonten.
Brett Bailey, Regisseur, Autor und Performance-Künstler aus Kapstadt,
beschäftigt sich als weißer Südafrikaner immer wieder mit der
Geschichte seines Landes. Seine für die Wiener Festwochen gestaltete
Installation "Exhibit A: Deutsch-Südwestafrika" führt nicht nur das
Schicksal der indigenen Bevölkerung zur Kolonialzeit vor Augen, sondern
lenkt auch den Blick darauf, wie Menschen aus Afrika heute wahrgenommen
werden. Dabei transponiert er ganz bewusst die alte Völkerschau-Technik
ins Museum von heute.
Seine Ausstellungsobjekte sind Menschen aus seiner Heimat und in Wien
lebende Immigranten, die in Vitrinen zur Schau gestellt werden.
Bailey lässt die Besucher nach einer kurzen Einführung auf im Kreis
aufgestellten Stühlen rund um eine riesige Vitrine Platz nehmen. Eine
Frau betritt den Saal, entledigt sich ihrer Kleider und steigt, zum
Exponat geworden, in den Glaskasten. Danach werden die Besucher
nacheinander von Kindern in die Ausstellungsräume geführt. Zunächst
sieht man Erinnerungsstücke der Kolonisatoren – Jagdtrophäen, aber auch
Knochen von Menschen, gesammelt als Objekte anthropologischer
Forschungen. Hinter Stacheldraht zwei Frauen: Die Tafel davor
informiert, dass Frauen in den Konzentrationslagern die Schädel ihrer
enthaupteten Mithäftlinge auskochen und von Fleischresten säubern
mussten, damit sie zur wissenschaftlichen Auswertung in europäische
Institutionen landeten, etwa zur rassenbiologischen Vermessung in "Dr.
Fischers ‚Wunderkammer‘". Allmählich landet man im Heute: Regungslos
stehen Männer und Frauen hinter Glas, blicken auf den Beschauer (oder
durch ihn hindurch), davor auf riesigen Tafeln ihre persönlichen Daten.
Der letzte Schaukasten ist leer, auf der Tafel davor ein roter Stempel:
"Abgeschoben".
Ein Erinnerungsraum für Marcus Omofuma. An der letzten Station faltet
der Performer Christoph Muondje vor einem Spiegel, mit dem Rücken zum
Publikum, Tücher zum traditionellen Kopfschmuck der Herero-Frauen. Der
Folder zu dieser ebenso eindrucksvollen wie unbehaglichen Ausstellung
schließt mit dem Satz: "Glücklicherweise haben wir diese Art von
rassistischer Barbarei überwunden. Oder haben wir das nicht?"
Theater/Installation
Exhibit A: Deutsch-Südwestafrika
Von Brett Bailey
Museum
für Völkerkunde
Wiener Festwochen
Tel.: 01/589 22 0
Wh.: 20.
bis 23. Mai
Printausgabe vom Donnerstag, 20. Mai 2010
Online
seit: Mittwoch, 19. Mai 2010 16:05:25
Kommentar senden:
* Kommentare werden nicht automatisch
veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.
Die Redaktion behält sich vor Kommentare
abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als
Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die
Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese
Adresse wird online nicht veröffentlicht.