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Kunstberichte
Der Umbau des Jüdischen Museums Wien hat begonnen – er wird bis Ende Juni dauern

Direkter Fokus auf Besucher

Museumsdirektorin 
Danielle Spera will künftig auch das jüdische Gemeindeleben ergänzen. 
Foto: jmw

Museumsdirektorin Danielle Spera will künftig auch das jüdische Gemeindeleben ergänzen. Foto: jmw

Von Alexia Weiss

Aufzählung Das 1895 gegründete Jüdische Museum in Wien war das erste weltweit.
Aufzählung Für den Umbau gibt es 2,5 Millionen Euro.

Wien. Die Stemmarbeiten im Eingangsbereich haben begonnen, der Ausstellungsbetrieb macht Pause: In das Palais Eskeles, seit 15 Jahren Heimat des Jüdischen Museums Wien in der Dorotheergasse, sind die Handwerker eingezogen.

Das Haus wurde zwar Mitte der 90er Jahre für den Museumsbetrieb adaptiert, die Technik habe aber 40 Jahre auf dem Buckel – und sei damit auch aus Sicherheitsgründen zu erneuern, betonte die neue Museumsdirektorin Danielle Spera am Mittwoch. Durch die Sanierung sollten sich die Besucher künftig räumlich wie inhaltlich besser zurechtfinden. Das Budget dafür beträgt 2,5 Millionen Euro, aufgebracht von Stadt Wien und Wien Holding, welche das Museum betreibt.

Vordergründig wird bis Ende Juni, wenn das Museum wieder geöffnet ist, vor allem der neu gestaltete Eingangsbereich ins Auge stechen: Künftig soll es von außen ein deutlich erkennbares Hauptentrée geben und ein klares Leitsystem ins Innere des Hauses führen. Die Dauerausstellung soll direkter und exemplarischer als bisher über das Judentum erzählen.

Die Sammlung Berger verbleibt im Erdgeschoß, soll aber Ausgangspunkt werden, um anhand dieser Familie jene Aspekte österreichischer Nachkriegsgeschichte darzustellen, die für die jüdische Gemeinde relevant waren oder sind, etwa die Ära Kreisky, die Waldheim-Affäre, das ganze Thema Restitution. Max Berger, 1924 in Polen geboren und einziger Holocaust-Überlebender seiner Familie, lebte ab Anfang der 50er Jahre in Wien und sammelte Judaika. Nach seinem Tod 1988 wurden an die 10.000 Objekte von der Stadt Wien für das bereits geplante Jüdische Museum erworben. 2010 verstarb auch seine Frau Trude und hinterließ dem Museum mehr als 3000 weitere Objekte

Ein Museum mit Geschichte

Die Geschichte des jüdischen Wien wird künftig in Form einer interaktiven Computer-Station erzählt. Das Veranstaltungszentrum übersiedelt vom Erdgeschoß in den zweiten Stock und bietet damit mehr Platz für Besucher. Wegen des großen Interesses an Veranstaltungen sei das Auditorium zu klein, so Spera. Sie sieht hier einen Anknüpfungspunkt zur jüdischen Gemeinde in Wien. Das Museum ist an sich eine Einrichtung der Stadt, nicht der Kultusgemeinde. Spera will neben der Vermittlung der Inhalte an ein nicht-jüdisches Publikum über die Veranstaltungen auch das jüdische Gemeindeleben ergänzen.

Damit knüpft sie an die ursprüngliche Intention des Museums an, das 1895 als weltweit erstes Jüdisches Museum von einem Verein gegründet wurde. In jener Zeit wurden allerorten Heimatkundemuseen eröffnet, die Volkskunde kam in Mode. Die Gründer, meist im 19. Jahrhundert nach Wien zugewandert, hatten das Bedürfnis, Objekte auszustellen, die oft aus dem Osten kamen und Zeugnis eines lebendigen Judentums waren, erzählt die Chefkuratorin des Museums, Felicitas Heimann-Jelinek, der "Wiener Zeitung". Gleichzeitig wurde mit der Darstellung dessen, was Juden in Wien geschaffen hatten, auch versucht, gegen den stärker werdenden Antisemitismus anzukämpfen. "Das Museum hatte damals also nach innen identitätsstiftenden, nach außen apologetischen Charakter", so die Chefkuratorin.

Untergebracht war das Museum an verschiedenen Orten im ersten und zweiten Bezirk. Der letzte Standort vor der Schließung durch die Nationalsozialisten 1938 befand sich in der Malzgasse. Unterstützung durch die öffentliche Hand hatte es bis dahin keine gegeben. Von 1964 bis 1967 wurden Objekte des Museums im Desider-Friedmann-Hof erneut ausgestellt, aber öffentlich kaum wahrgenommen. 1986 kündigte der damalige Bürgermeister Helmut Zilk die Wiedereröffnung an, die 1988 offiziell stattfand. 1996 zog es in das zuvor vom Dorotheum genutzte Palais Eskeles ein. Seit Ende der 80er Jahre kamen 1,2 Millionen Besucher.

Während des Umbaus verlagert das Museum seine Aktivitäten vor allem auf den Judenplatz. Großgeschrieben wird auch die Vermittlungsarbeit: Deren Leiterin Hannah Landsmann und ihr Team gehen bis zum Sommer mit verschiedensten Programmen an die Schulen. Seit Mittwoch hat das Museum zudem einen dritten Standort: das Internet. Ein Re launch bringt interaktive Elemente und möchte mit den Besuchern in Kontakt treten.

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Printausgabe vom Donnerstag, 13. Jänner 2011
Online seit: Mittwoch, 12. Jänner 2011 19:18:00

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