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Du hast mir das Elend nicht gezeigt

18.03.2010 | 18:43 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Alle Zeichen deuten auf Baden-Baden hin“, hört man aus den üblich gut informierten Kreisen.

Die zuletzt favorisierte Barbara Steiner aus Leipzig scheint aus dem Rennen. Spätestens am Montag hat das erschöpfende Kaffeesudlesen, wer neue Mumok-Direktorin wird, aber ein Ende. Am Vormittag „hört“ Ministerin Schmied noch das Mumok-Kuratorium zu ihrer Wahl an – wohl reine Formsache für die Entscheidungs-Individualistin, denn schon am Nachmittag soll der Name der Öffentlichkeit verkündet werden.

Lautet dieser tatsächlich Karola Kraus, Chefin der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, werden nicht nur Ihre Schultern ratlos zucken. Allein schon deshalb, weil die Deutsche (*1961) besser unter ihrem Mädchennamen, Grässlin, bekannt ist. Eine berühmte Familie im Kunstbetrieb – die Eltern Informel-Sammler im Schwarzwald, die Schwester Bärbel Galeristin, die ganze Sippe Wahlfamilie Martin Kippenbergers. Also schlag nach bei Kippi, besser gesagt in der von seiner Schwester verfassten Biografie.

Der Titel seines Weihnachtsgeschenks an Karola, die jüngste Tochter des Hauses, mit der er auch liiert war, scheint wahr geworden: „Auch ich wollte der Erste sein“, heißt das Bild. Der Wechsel von der kleinen Kunsthalle, in der Kraus gemischtes Programm mit Fokus auf konzeptuelle und minimalistische Kunst machte, zum Mumok ist tatsächlich ein Wechsel in die erste Reihe.

Was sie dort erwartet, prophezeit ein anderer Titel Kippenbergers: „Mutter, du hast mir das Elend nicht gezeigt“. Damals nahm er Bezug auf einen Ausspruch seiner Freundin, die sich über ihre behütete Erziehung beklagte. Heute im Mumok heißt das Elend akuter Platzmangel, der laut Plänen der Ministerin auch in nächster Zukunft nicht gelindert wird – außer Frau Kraus hat wirklich gut verhandelt. So oder so darf sie sich auf ebenso Altbekanntes gefasst machen: „Neid und Gier, das ist mein Bier“, warf sie einst einem gaffenden Tischnachbarspaar an den Kopf (was Kippenberger, genau, in einen Bildtitel verwandelte). In Wien wird's zumindest ein Wein sein. Er möge wohl bekommen.


almuth.spiegler@diepresse.com


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