Die Privatsammlung Essl zeigt in Klosterneuburg Werke von Alfons Schilling anlässlich seines 75. Geburtstags
Kunst mit Wissenschaftsanspruch
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Schillings "Stereobild" springt unter Zuhilfenahme eines Monokels in den Raum. Foto: Sammlung Essl/Mischa Nawrata
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00084147-Dateien/wzfeld.gif)
Alfons Schilling gilt als Künstler, Forscher und Visionär, der unsere
Sehgewohnheiten einer harten Prüfung unterwirft, sobald man sich auf
sein Werk einlässt. Die Sammlung Essl präsentiert aus Anlass seines 75.
Geburtstages vier Werkgruppen, von denen die Aktionsmalerei großteils
zum Besitz der Privatsammlung gehört.
Um 1960 hat Schilling in
einem teils kämpferischen Dialog mit Günter Brus eine Aktionsmalerei
entwickelt, die die Bildfläche durch dynamisches Auftragen der Farbe
entgrenzt. Noch immer zu wenig bekannt ist, dass er damit zu den
Initiatoren des Wiener Aktionismus gehört.
Von Motoren bewegte, "kosmische" Bilder
Statt aber weiterhin seinen ganzen Körper bei der Arbeit
einzusetzen, folgte auf Schillings frühe "totale" Malerei eine durch
Motoren angetriebene Bewegung der Leinwände: 1962 widmete sich
Schilling in seinem Pariser Atelier den Rotationsbildern oder "Spin
Paintings". In einem Raum der Schau sind sie im Stillstand und –
mittels Knopfdruck – auch in Rotation erfahrbar. Nur so ist zu
begreifen, wie die teils geschüttete Malerei auf bewegtem Untergrund
zur dynamischen Entfaltung gelangen kann.
Durch Kreisform und Bewegung erreicht Schilling dabei eine fast
kosmische Dimension. Der Titel "Andromeda" eines seiner Rotationsbilder
unterstützt diese visionäre Interpretation.
Während seines USA-Aufenthalts (1963 bis 1986) widmete sich
Schilling noch intensiver künstlerischen Untersuchungen der Wahrnehmung
und ihrer Überwindung durch Übergang von der zweiten in eine dritte
Dimension. Das geschah zuerst durch Linsenrasterfotografie und
Hologramme, später auch durch Konstruktionen von Sehmaschinen. Ein Raum
ist der Linsenrasterfotografie gewidmet, die neben der 3D-Erfahrung
auch gesellschaftspolitische Aspekte miteinbezieht, wie etwa die
Proteste gegen den Vietnamkrieg. Schilling verwendete dafür keine
Zeitungsartikel oder Fundmaterial – er war selbst mit der Kamera bei
Demonstrationen.
Auch die Brille kann den 3D-Effekt erzielen
Die großformatigen "Autobinären Stereobilder" bilden die größte
Gruppe – sie beschäftigen den Künstler anhaltend seit den 80er Jahren.
Vor diesen geometrisch abstrakten Kompositionen sind Podeste mit
Prismenmonokeln aufgestellt. Erst durch diese Hilfsmittel erschließt
sich hier die dreidimensionale Wirkung – ein Versuch mit einer normalen
Brille könnte übrigens auch ein wenig aushelfen. Ohne Sehhilfe kann
sich der Sinn der großen Kompositionen in meist harmonischer
Farbwirkung nicht erschließen – denn auch sie sind durch
Modellzeichnungen entwickelte Räume der Verwandlung.
Hält man das Monokel im richtigen Abstand, springt das Bild
plötzlich ins Auge oder besser: Es öffnet sich durch eine leichte
Verschiebung weit in die Tiefe. Der Lerneffekt dabei ist eine schöne,
interessante Erfahrung, die verdeutlicht, wie viel mehr wir eigentlich
sehen können.
Ausstellung
Alfons Schilling.
Zum 75. Geburtstag Sammlung Essl, Klosterneuburg Bis 9. August
Printausgabe vom Freitag, 20. Februar 2009
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