Kultur/Medien | 06.09.01 | www.DiePresse.at
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Kalte Herzen für die wenigen Cybergirls

Linz. Die Ars Electronica geht heute, Donnerstag, zu Ende. Ein letzter Lokalaugenschein.

"Jö schau, wir schlagen im gleichen Rhythmus!" Vergnügt blinkten die blauen Herzchen am umgeschnallten Display. Verkabelt mit drei Elektroden, ausgestattet mit einem Sender, knotzte man in schummriger Club-Atmosphäre bei der "Sophisticated Soirée" der Ars Electronica in gemütlichen Fauteuils. Gemessen wurde der Herzschlag von jedem der 64 Teilnehmer: Den eigenen zeigte auf dem persönlichen Display das Blinken des blauen Lichtes an. Wenn dazu ein gelbes aufleuchtete, schlug das eigene Herz im selben Takt wie ein anderes; wenn es sich rot färbte, passierte ein Herzschlag sogar im selben Moment. Über Computer wandelte die Künstlergruppe mit dem spröden Namen "91v.2.0" die gemessenen Herzschläge in Sounds und Visuals um. Aber nach welchen Kriterien die Interaktion geschah, wurde nicht klar - so glitt das Experiment schnell in Langeweile ab. Doch je länger die Nacht, desto mehr begannen die Teilnehmer ihre Herzensprodukte zu ignorieren und plauderten über die bei der Ars ausgestellten Arbeiten - auch darüber, warum man Frauen als Künstlerinnen heuer suchen mußte.
Im O.K. Centrum, wo für den "Prix Ars Electronica" eingereichte Arbeiten gezeigt werden, verliert man nur selten das desillusionierende Bewußtsein, wieviel komplexe Technik hinter dem Ergebnis steht. Ausnahmen bestätigten die Regel.

Gedankenlesen

Die interaktive Installation "You think therefore I am" verleitete zu geheimnisvollen Verfolgungsjagden: Auf der Bodenprojektion konnte man virtuelle Spaziergänger wie von unten durch eine Glasplatte beobachten. Ihnen folgend, hörte man ihre Gedanken. Eine poetische Arbeit, wenn auch mit keiner sehr überraschenden Idee dahinter. Weniger zauberhaft, aber umso kraftvoller die Installation "Autopoiesis" von Kenneth Rinaldo. Ein riesiger Schlegel rotierte in der Mitte des Raumes und reagierte in Geschwindigkeit und Richtung auf die Besucher. Dabei entwickelte er persönliche Vorlieben, verfolgte einen im Schrittempo, schien wie ein Lebewesen an einem zu schnüffeln oder begann sich bei zu viel Andrang mit ohrenbetäubendem Krach wild zu drehen.
Arbeiten von Männern waren heuer sowohl in den technischen Sparten als auch den künstlerischen eindeutig in der Überzahl. "Das ist die Realität in der Medienkunst", bestätigt Ars-Leiter Gerfried Stocker. Zwar versuche man mit Projekten wie dem - nicht gerade überzeugenden und selten von Künstlerinnen besetzten - "Female Takeover", das sich eigens mit weiblicher Medienkunst befaßte, diesem Aspekt entgegenzuwirken, "von einer Ausgewogenheit sind wir aber leider noch weit entfernt". Allerdings, so Stocker: "Im vergangenen Jahr hatten wir sogar beim ,Prix' vier oder fünf Siegerinnen." Heuer gab es keine einzige. Also, an die Computer, Cybergirls!

© Die Presse | Wien
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