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Kunstberichte

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Adam und Gomorrha

Aufzählung (cai) Der Mathias Kloser ist sicher ein Naturbursch. Sonst hätte er ja nicht so viele Topfpflanzen daheim. (Gegen etwaige Entzugserscheinungen.) Und er würde uns nicht pausenlos auf Knien anflehen: Rettet den Regenwald! Okay, er kniet nicht selber mit dem Schild herum. Er hat dafür ein Double. Aus Holz. Den Keller der Galerie Frey hat der "Weißafrikaner" (der Spross von Vorarlbergern in Afrika) mit einer abenteuerlichen Mischung aus Rumpelkammer und Paradies angeräumt. Dürfte ein erweitertes Selbstporträt sein. Zwischen den Blumentöpfen mit dem Grünzeug gedeihen die exotischsten Ismen. Der naive Optimismus zum Beispiel. Damit mein’ ich nicht bloß die kitschig bunten, naturromantischen Malereien, sondern auch die Arglosigkeit, mit der Kloser einen echten Geldschein herumliegen lässt: "One Hundred Trillion Dollars." Na ja, eh nur Simbabwe -Dollars. Die sind höchstens noch für Popo-Art zu gebrauchen. Obwohl: Ein Blatt Klopapier ist mehr wert (weil es größer ist).

Seine Kunst ist aber nicht brotlos. Schwarzbrotrestln gibt’s da nämlich auch (nebst anderen Souvenirs aus seinem persönlichen Alltag). Und die Kopie einer österreichischen Ortstafel? Tja, aus diesem Werk von gnadenloser geografischer Sachlichkeit macht ein Pronomen das Götzzitat: "Lech mich am Arlberg." Aha, pubertärer Realismus. (Könnte mich jetzt bitte wer kitzbüheln, damit ich villachen kann?) Dann dieser Sexpressionismus, die autoerotischen Ausschweifungen: Spermaflecken auf Leintüchern. ( Selbst ist der Adam!) Mein abschließendes Urteil wird Sie nun vielleicht ein bissi überraschen: Phänomenal! Dieser schier enzyklopädische angewandte Narzissmus ist einmalig. Ich übergebe, äh: er gebe mich in Demut.

Galerie Frey
Gluckgasse 3, 1010 Wien
Mathias Kloser: "A Sure Thing of Beauty", bis 15. Mai
Mo. – Fr.: 11 – 19 Uhr, Sa.: 10 – 16 Uhr

Romantiker mit Keule

Aufzählung (cai) Schwermütiger Mann plus Totenschädel: Hamlet. Und wenn der mutmaßliche Hamlet keinen eigenen Kopf mehr aufhat? Dann muss halt der Souffleur sagen: "Ach, armer Yorick!" Regietheater nennt man das. Der Lubomir hat aber wohl eh nicht den Hamlet gemeint, sondern das anonyme Männerfleisch, das fast so schinkenhaft verroht ist wie beim Francis Bacon. Mit dem wuchtigen Pathos seiner Leiber keult er den Betrachter nieder (brät ihm quasi eins mit dem Schweinsschlögel über). Und seine Vanitas-Stillleben sind auch nicht grad modern. Sonst täten uns ja keine Totenköpfe und Blumen an die Sterblichkeit erinnern, sondern fettige Burger, Zigaretten und – Bürosessel. Da trauert einer den alten Meistern nach. Ja, verdammt eindrucksvoll. Dank der sensiblen Lichtstimmung durchzuckt das Leben die blanken Knochen wie ein Phantomschmerz. Und die delikaten Landschaften mit Winterdepression (mit Nebel) zwingen einen förmlich zu trenzen. Echt gemein, die Romantik. Weil man sich kaum dagegen wehren kann.

art-com Gallery
Schottenfeldgasse 69, 1070 Wien
Lubomir, bis 2. Juni
Mo. – Fr.: 13 – 18 Uhr

Die Axt im Kopf

Aufzählung (cai) Empathische Personen müssen nachher eventuell den Heiligen Aspirin anrufen, den Nothelfer der Migränegeplagten. Denn die Skulpturen vom Alfred Haberpointner haben chronische Kopfschmerzen. Die Holzköpfe, die er diffus zerkratzt, mit rationaler Strenge spaltet, völlig tranchiert oder auf die er unkontrolliert einhackt, sind wie Andachtsbilder für die diversen Arten vom Schädelweh. Stechend, rasend ... Irgendwann wird’s trotzdem ein bissl fad.

Galerie Chobot
Domgasse 6, 1010 Wien
Alfred Haberpointner, bis 21. Mai
Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 16 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 05. Mai 2010
Online seit: Dienstag, 04. Mai 2010 16:10:00

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