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Kunstberichte

I bin’s: der Rock'n'Roll

Aufzählung (cai) Brave Buben spielen Xylophon, richtige Buben spielen Kako phon. Kakophon? Na ja, der Albert Mayr hat seinem Instrument zur Zerstörung der abendländischen Musik halt keinen anständigen Namen verpasst und irgendwie muss ich dieses aberwitzige Ding ja nennen. Der Prototyp (ein Bügelbrett, vollgepackt mit allerlei elektronischem Zeug) schüchtert derzeit beim Kargl die Besucher ein.

Keine Ahnung, welche Dezibelhymne der "Bügelberserker" da im dazugehörigen Video zum Besten gibt. "Born to be loud"? Mit verbissenem "Ich mach Mozart und Beethoven fertig"-Gesicht, als wär er der Rock ’n’ Roll persönlich, würgt er das Bügelbrett. Sicher das enervierendste Opus, das Kuratorin Fiona Liewehr für ihre stimulierende, Musik und Kunst versöhnende Ausstellung auftreiben hat können, wo einem die entfesselten Noten um die Ohren fliegen. Empfindliche Personen werden winselnd um Ohropax betteln, Sadisten die Gelegenheit nützen und die Galeriemitarbeiter quälen, indem sie ausgiebig auf das Pedal treten (zur Verfügung gestellt von Cardiff & Miller), mit dem man die Gitarre von Jimi Hendrix zum Jaulen bringt. (Gut, bloß eine Tonkonserve jault auf.) Bei Erwin Thorn kreischt gar das Licht und tut den Augen weh wie das hohe Fis den Ohrwascheln.

In diesem stressigen Ambiente wird Christian Marclays musikkritische Geste, eine Schallplatte in 13 Stücke zu zertrümmern, zum Wink mit dem Vorschlaghammer (zumal sich daneben die Beatles penetrant auf einem Plattenteller drehen). Doch ein unscheinbares Opus stiehlt allen die Show: "Die Erfindung des Zündschalls." Gehörschutzstöpsel sind ja bereits geniale Minimal-Skulpturen, aber Peter Weibel bastelt einen Plattenspieler aus einem Streichholzschachterl und einem abgebrannten Zündhölzl (als Tonarm), der noch dazu das gewisse (optische) Knistern hat. Eineinhalb Stunden haben die Lärmquellen es nicht geschafft, mich zu vertreiben. Das sagt eh schon alles.

Der Hintern des Mondes

Aufzählung (cai)Abstrakte Künstler, das sind die, die partout nicht das malen wollen, was sie sehen, sondern lieber irgendwas anderes. Wieso die Ausstellung "Dark Side of the Moon" heißt, weiß ich aber auch nicht so genau. Vielleicht weil die Bilder mit dem Mysteriösen flirten. Bei Milena Dragicevic reißen tiefschwarze Kreisflächen brutale Löcher in die Raumillusion, in ein lecker gemaltes, seltsames Gebilde. Und Svenja Deininger treibt ein raffiniertes Spiel mit der gezielten Malverweigerung. Wenn sie einen Bilderrahmen um ein ungrundiertes Stück Leinwand herumpinselt, wird die Leere in der Mitte zum eigentlichen Bild. Und das ist tatsächlich fast so obskur wie die erdabgewandte Seite des Mondes. Der Mond hängt immerhin am Nachthimmel wie die Mona Lisa im Louvre. Die wendet uns ja ebenfalls nie die Rückseite zu. (Die kriegen nur die Restauratoren zu Gesicht. Und den Erdtrabanten erblicken bloß die Astronauten von hinten.)

Augen zu aus Notwehr

Aufzählung (cai)Das Drücken der Taste "Entf" ist manchmal Notwehr. Doch die Bildchen von Julia Hofstetter (verblassende Gesichter, undeutliche Szenen) sind einfach zu analog, um sie mit dieser Methode loszuwerden. Also geht nur "Augen zu". Und wenn Johanna Klement in Siebdrucken unerwünschte Personen vehement durchstreicht, ist das auch eher bescheiden. Thema: Das Auslöschen. Darina Peeva, die ein altes Klassenfoto mit der pittoresken Ästhetik des Vermoderns überarbeitet und mit markanten grafischen Elementen kombiniert, ist die Einzige, deren Arbeiten nicht peinlich sind.

Georg Kargl Fine Arts

(Schleifmühlgasse 5) Feedbackstage Bis 7. März Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr

Galerie Martin Janda

(Eschenbachgasse 11) Dark Side of the Moon Bis 7. März Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr

Kro Art Gallery

(Getreidemarkt 15) delete Bis 30. März Di. – Fr.: 14 – 19 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 18. Februar 2009


Kommentare zum Artikel:

20.02.2009 und die letzte wichtige tageszeitung...
+falter, + artmagazine

freu mich, lg. fiona
fiona Liewehr
20.02.2009 und noch die wiener zeitung
jetzt haben wir alle wichtigen tageszeitungen beisammen+falter+artmagazine, super, freu mich,

lg. fiona
fiona Liewehr
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