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derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
10. Dezember 2008
19:42 MEZ

Projektraum Viktor Bucher, Praterstraße 13/1/2, 1020 Wien. Bis 19. 12.

 

Voyeuristische Perspektiven macht Sissi Farassat auch in ihrer Polaroid-Serie "Untitled" (2007) zum Thema.


Hinter dem Lamettavorhang
Sissi Farassats Fotobearbeitungen im Projektraum Viktor Bucher in Wien

Die Rückseiten von Sissi Farassats perlen- und paillettenbestickten Bildern offenbaren kein Fadenchaos, sondern ein grafisches, hier und dort mit kleinen Knötchen versehenes abstraktes Bild, ein Fadenornament. Wieso also nicht die Rück- zur Vorderseite machen, die bestickten Fotos zur Wand drehen, die Offensichtlichkeit verbergen?

"Wer ist das?", nennt Sissi Farassat die Serie zu diesem neuen Prinzip. Es sind Arbeiten, die den Betrachter einladen, hinter die Fotografien zu schauen, die in Umrisslinien Geschichten erzählen, ja im wahrsten Sinne des Wortes Erzählungen umreißen. Die ausfransenden Fäden warten darauf, dass sich ihre rauen und mit Makeln versehenen Umrisse mit Farben und Leben füllen. Etwa mit jener Geschichte, die uns Farassat als jene der Familie Müller suggeriert - die sie selbst aber gar nicht kennt: Die Objekte der Serie stammen aus einem Konglomerat von 200 Fotonegativen, die die 1969 in Teheran geborene und seit Kindertagen in Wien lebende Künstlerin am Flohmarkt erstand.

Freilich vermitteln die mit so viel Handarbeit versehenen, bestickten und beknüpften Fotos auch den iranischen Hintergrund ihrer Familie, lassen an persische Teppichknüpfkunst denken und ergänzen durch ihre Oberflächen eine sinnliche Komponente. Besonders deutlich wird das im C-Print "Hinter Vorhang IV", wo die Frauengestalt in lasziver Pose - wie immer Farassat selbst - hinter einem Behang aus Lametta verschwindet. Wie Perlenschnüre scheint dieser ins Rotlicht-Boudoir zu führen - man ist versucht, ihn wegzuheben. Ein Anflug von Verruchtheit haftet dieser unterdrückten Geste an.

Auch das eigens für die Ausstellung "es ist, was es ist" produzierte Video "Sissi, c'est moi" greift diese Strategien des Verdeckens und Abwendens auf. Obwohl die Künstlerin sich wie in der Peepshow auf einem Drehteller zeigt und also neuerlich mit dem voyeuristischen Blick spielt, präsentiert sie sich nicht. Die Bildschichten verunklaren das Bild, verstellen die eindimensionale Perspektive.

Statt der heiligen Sissi oder Sissi dem Vamp kehrt sich Farassat immer mehr von der Oberfläche, von der Zurschaustellung ab und illusioniert intime und geheime Momente, ohne alles zu zeigen. Die Frage "Wer ist das?" rückt nun ins Zentrum. (kafe / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.12.2008)

 

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