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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
22.01.2004
13:32 MEZ
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"Dass die Körper sprechen, auch das wissen wir seit langem", Generali Foundation, 1040 Wien, Wiedner Hauptstr. 15. 22. 1. - 25. 4., Di - So 11 bis 18, Do bis 20 Uhr

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Generali Foundation

 
Foto: Generali Foundation
Deborah Schamoni/Ted Gaier, Flimmern, 2001

Gesten und Grammatik
In der Wiener Generali Foundation lässt man wieder die (Kunst-)Körper sprechen

Wien - Seite an Seite, Foto an Foto, Geste an Geste hat der Kunstwissenschafter Aby Warburg in den 30er-Jahren seinen Bildatlas Mnemosyne zusammengestellt, die Gebärdensprache der Antike mit jener der Renaissance verglichen - um "Pathosformeln" herauszudestillieren und festzustellen, wie Gesten und Posen in der Kunstgeschichte Bedeutungsverschiebungen unterliegen. Auf die Gegenwart bezogen, von der performativen und feministischen Kunst der 70er-Jahre ausgehend, versuchen die beiden Kuratorinnen Hemma Schmutz und Tanja Widmann in der Generali Foundation diese Art Atlas ins Heute zu transkribieren.

Dauerbrennerthema

Das ist aber nur einer der Ansätze, der grosso modo vom Dauerbrennerthema "Körper und Kunst" ausgeht. Die Grammatik der Geste, die sehr viel Widersprüchlichkeiten und, wenn man so will, Versagensmomente und Willkürakte in sich trägt, streift hier den frühen Stummfilm wie auch Rhetorikübungen in Managementseminaren. Aus Letzteren scheint ein verrenkter Businesstyp zu stammen, auf Robert Longos Bild zur Karikatur verzerrt.

23 internationale Beträge aus Malerei, Video und Fotografie führen das titelgebende, von Gilles Deleuze geborgte Postulat vor: Dass die Körper sprechen, auch das wissen wir seit langem. Kunstschaffende sind oft gekonnte Übersetzer dieser Sprache jenseits der Worte, die auf der Meta-Ebene offenbar wieder einer Menge Worte bedarf, wie der Katalog zeigt.

"Manöver"

In vier Themenbereiche gliedert sich die sehr offene Schau, die naturgemäß (und vielleicht auch leider) wegen der raumgreifenden Formate der Kunstwerks keine direkten Vergleiche à la Warburg zulässt - der Wissenschafter bediente sich ja einst fotografierter Kopien. Vielmehr ist es ein assoziatives Durchzappen durch Formen der Geste, am naheliegendsten jene aus einem künstlerischen Selbstverständnis heraus - von Martha Jungwirths gestischer Malerei über John Baldessaris nahezu verrückten Wortwiederholungen bis zum flott geschnittenen, selbstironischen Atelier-Aufräumvideo von Ilse Haider.

Der Ausstellungsteil "Manöver" streift das Private, Intime - fast peinlich bei Hannah Wilkes 35-minütiger Gesichtsabtastung, auf den zweiten Blick überraschend bei Meike Schmidt-Gleim, die quasi als "Fan" Einübungen in feministische Gesten in Form von Nachahmungen leistet.

Interieurszenen

Die Beredsamkeit des Leibes, hier in vielen Parallelen zur klassischen Kunstgeschichte, offenbart sich vor allem, und besonders direkt, im "Masken" betitelten Teil. Interieurszenen, im derzeit sehr fashionablen, allgegenwärtigen Fotostil aufgenommen, scheinen austauschbar, auch wenn man später weiß, dass die Serie lesbische Haushalte abbildet. Anders Antje Majewskis durchdringendes, nach einem inszenierten Foto abgemaltes Malerei-Riesenformat einer als Gruppe inszenierten (Frauen-)Bande, deren vermummte Person im Vordergrund ängstlich sich Richtung Betrachter bewegt.

Wenig Raum

Repräsentation in der Öffentlichkeit, Teil vier des Körperparcours, das kann auch so aussehen, dass eine Art Psychogruppe in einem Musikvideo von Deborah Schamoni/ Ted Gaier kollektive Zerstörung vulgo Aggressionsabbau betreibt. Man findet sich amüsiert erinnert an die Psycho-Aerobicgruppen-Persiflage Praise You von Fat Boy Slim.

Wenig Raum hat man den quasi lebendigen Körpern gelassen. Allein Jutta Koether hält am 12. März eine Performance ab. Aber vielleicht ist das ja Stoff für ein Nachfolgeprojekt. (Doris Krumpl/DER STANDARD, Printausgabe, 22.1.2004)


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