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30.08.2003 - Kultur News
Comics: Nicht nur Kawumm und Zappadoing
Comics im Forum Stadtpark und im Museumsquartier: Wunsch nach Austausch und Selbstverständnis.
VON CHRISTINA BÖCK


Wie ich mich fit halte? Ich laufe Amok." Ein altes Hildegard- Knef-Zitat als Lebensmotto ent staubt: Das ist Frau Jukl, eine österreichische Comic-Heroine. Erkennungszeichen: trotzige Jungmädchen-Rhetorik ("War is coming? Tell him, I'm going out.")

Frau Jukl ist derzeit mit weiteren Comic-Verwandten im Wiener Museumsquartier ausgestellt. "Cheap, fast and out of control" vereint österreichische Comic-Künstler und deren Werke, die nur von einer kleinen Öffentlichkeit konsumiert werden. Denn die Hefte, sogenannte Fanzines, werden hauptsächlich im Eigenverlag produziert, also auf dem Kopierer vervielfältigt und im Alleingang oder über Netzwerke wie "Murmel", "Mixer Comics" im Internet vertrieben.

Merchandising ist, auch wenn es dilettantisch anmutet, wichtig. Mixer hängt Automaten auf, die an Kondomautomaten erinnern, aber ein Büchlein von Nina Dietrich ausspucken. Das Diminutiv steht zu Recht: Die Künstlerin hat ihren "Amöben"-Comic bereits bei Guinness als kleinsten Comic der Welt angemeldet, erzählt Karin Pernegger, Kuratorin der Ausstellung. Murmel wiederum hat eine Magnetwand basteln lassen. Darauf haften: ein nackter Mann, ein Schwan, ein Wecker und Sprechblasen mit Aussagen wie "Pfui, Weltuntergang" oder "Nein, die Revolution wird nicht im Fernsehen übertragen." Ein Mitmach-Werk, Symbol für das System: Auch die Künstler selbst sind nur Laien, die gerne die teure Hochglanz-Comic-Kultur aufs Korn nehmen.

Persifliert wird auch mit Gimmicks: Wer hat je ein Yps-Heft wegen der Geschichten gekauft? Der Dinosaurier-Baukasten mit möglichst giftigen Chemikalien war das Objekt der Begierde. Ähnliches gibt es auch von Murmel, nur ein bisschen skurriler. Ein Hirn-Set mit Hirn aus der Tube zum Beispiel. Ein "Murmel-Supermarkt" wird demnächst auch in Graz stehen: Beim Comic-Festival, das am Samstag im Forum Stadtpark startet und bis 6. September dauert.

Edda Strobl von der Grazer Zeichnergruppe Tonto hat mit anderen Comic-Künstlern dieses Festival organisiert - für einen Austausch zwischen Zeichnern und Lesern. Früher nämlich "warst du als Zeichner eine Insel", sagt sie. Mit seinen Workshops habe das Festival "Laborcharakter". So kann man lernen, wie man ein Story-board (ein gezeichnetes Filmdrehbuch) mit ein paar Strichen hinkriegt oder wie man Charaktere für einen Animationsfilm entwickelt. Deutsche und osteuropäische Künstler werden vorbeischauen, ein japanisches Manga-Special wird es geben. Und damit man den Jugendkulturstempel auch verdient, findet am Sonntag der erste österreichische Heavy Metal Frühschoppen statt.

Tonto, auch bei der Wiener Ausstellung vertreten, verkörpert einen anderen Zweig der heimischen Comic-Szene als beispielsweise Murmel. Für sie ist Comic nicht reine Spaßkultur, sondern entsteht aus der jahrelangen Beschäftigung mit filmischem Sehen, bildender Kunst, Literatur. Wie bei Jörg Vogeltanz, Leiter des Grazer Netzwerks prequel: Im MQ demonstriert er mit einem Wandbild, worum es in seinen Geschichten geht: Wie ein paranoider Ermittler hat er bruchstückhafte Notizen, Bilder, Dokumente an die Wand geklebt. "Lesen sie seriöse Tageszeitungen und glauben sie uneingeschränkt deren Inhalt? Anders gefragt: Sind sie bereits Teil des Problems?" heißt es in einer Werbung zu einem seiner Comics im Internet. Verfolgung, Verschwörung, Blut, offene Leiber - ein dunkles Gegenstück zur pubertären Strichmädchenwut Frau Jukls. Ganz ohne "Zappadoing". (Cheap, fast  . . . 10-20 Uhr, Freiraum Quartier 21, bis 14. 9.)



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