Gerade endete die
ViennAfair in den Messehallen erfolgreich, da eröffnete schon zwei Tage
später die nächste Wiener Kunstmesse, „Art Austria“. Der Zusatz
„1900–2000“ erklärt den Fokus, denn die 40 Aussteller zeigen
österreichische Kunst des letzen Jahrhunderts. Da Kunst tief in der
nationalen Kultur verankert ist, nur ein sehr kleiner Teil der Sammler
und Kunstfreunde sich international und noch weniger global
orientieren, hat der Galerist Manfred M. Lang mit dieser nationalen
Messe letztes Jahr ein perfektes Nischenprodukt gegründet: Dreißig der
damaligen Teilnehmer stellen dieses Jahr wieder im Museumsquartier und
einem angefügten Zelt aus. Malerei nach 1945 dominiert, selten werden
auch Skulpturen angeboten, Roland Goeschls „Kubistische Säule“ (1988;
45.000 Euro) bei Kovacek etwa, oder Wolfgang Ernsts 90 Kilo schwere
Bodenplatte „Art is uninteresting complete“ (1970; 40.000) bei Cajetan
Grill. Seit Ernst sein Weingut in Kroatien vor zwei Jahren verkaufte –
das bedeutete auch das endgültige Aus seiner „Creator
Spiritus“-Spitzenweine –, war von diesem unkonventionellen Künstler
kaum mehr die Rede. Grills Stand rückt jetzt wieder das künstlerische
Werk in den Mittelpunkt und konnte auch sofort kleinere Wandarbeiten um
3.500 verkaufen.
Körper als Material. Vor allem aber ist viel
gestische, expressive Abstraktion der Nachkriegszeit zu sehen. An
nahezu jedem Stand Bilder in Kanapee-Größe von Arnulf Rainer, Adolf
Frohner, Josef Mikl, Drago J. Prelog. Absoluter Spitzenreiter ist dabei
Hans Staudacher, der unbeirrt seit den 50er-Jahren jene damals
entwickelte „Informell“-Malerei variiert. Offenbar ist diese Kunst
heute im Wohnzimmer angekommen und ein Verkaufsschlager – denn warum
sonst sollten sich so viele Händler auf diesen einen Maler
konzentrieren? Einen ähnlich hohen Wiedererkennungseffekt hat auch der
Wiener Aktionismus, der mit Werken von Gunther Brus, Hermann Nitsch,
Otto Mühl und Rudolf Schwarzkogler auf der Messe allgegenwärtig ist.
Den spannendsten Stand bestückt damit die Galerie Krinzinger. Denn hier
sehen wir, wie aktuell diese österreichische Kunst der 60er-Jahre bis
heute ist und wie kunsthistorische Positionen im Werk späterer Kollegen
aufgegriffen und weitergeführt werden. „Der Körper als Material“ ist
das Thema, wozu Werke von Nitsch und Schwarzkogler, Franz West, Walter
Pichler, aber auch Peter Kogler, Lois Weinberger, Angelika Krinzinger,
Martin Walde und Ulrike Lienbacher gehören.
Einerlei der
Nachkriegskunst. Spätestens hier wird man auch unruhig. Warum trauen
sich nur so wenige Galerien, die nahe Vergangenheit mit in den Blick zu
rücken, die Galeriearbeit der letzten zwanzig Jahre zu berücksichtigen?
Sicherlich, die Werke von Hans Bischoffshausen aus den 60er-Jahren sind
unbedingt einer erneuten Beschäftigung wert. Und die Malereien von
Hundertwasser, die Elisabeth und Klaus Thoman (ab 300.000) und Galerie
Welz (450.000) anbieten, sind weit besser, als es die populistische
Selbstvermarktung des Künstlers erinnern lässt. Aber ansonsten haben
sich die Händler hier auf einen einheitlichen Mix von bunt-abstrakter
und frühmodern-gegenständlicher Kunst geeinigt. Warum ist kaum
Konzeptkunst der 60er-Jahre ausgestellt, warum fehlen starke Positionen
der 80er- und 90er-Jahre? Gunter Damisch ist zwar oft dabei, aber
keiner seiner Kollegen der „Neuen Wilden“ wie Anzinger, Bohatsch oder
Vopava. Kein Neo-Geo mit Rockenschaub, keine postmodernen Positionen –
einzig Erwin Wurm durchbricht mehrmals das Einerlei der
Nachkriegskunst. Offenbar entspricht diese Auswahl der aktuellen
Nachfrage, aber eine Messe könnte hier ja Zeichen setzen und
Entwicklungen antreiben.
Historisches Ambiente. Ein kleiner
Lichtblick ist da die „bäckerstrasse4“, deren Programm auf
demokratischen Auswahlprozessen basiert und die gänzlich auf junge
Positionen setzen, am Stand mit hier ganz ungewohnt zeitgenössischen
Skulpturen des Erwin-Wurm-Absolventen Thomas Gänszler (ab 2.500).
Vielleicht wäre ja eine Zusammenlegung der ViennAfair und Art Austria
eine Möglichkeit, die allzu scharfe zeitliche Zäsur mildern, wie es ja
auch auf der Art Basel mit den Sektionen Klassischer Moderne und
aktueller Kunst geboten wird? Noch sieht Manfred Lang dafür leider
keine Möglichkeit, denn „die Art Austria benötigt ein historisches
Ambiente“.