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Art Austria: "Art is uninteresting"

16.05.2009 | 17:49 | von Sabine B. Vogel (Die Presse)

Art Austria setzt auf das Vertraute: Etablierte österreichische Kunst, vor allem Malerei seit 1945. Eine Zusammenlegung mit der ViennAfair böte sich an.

Gerade endete die ViennAfair in den Messehallen erfolgreich, da eröffnete schon zwei Tage später die nächste Wiener Kunstmesse, „Art Austria“. Der Zusatz „1900–2000“ erklärt den Fokus, denn die 40 Aussteller zeigen österreichische Kunst des letzen Jahrhunderts. Da Kunst tief in der nationalen Kultur verankert ist, nur ein sehr kleiner Teil der Sammler und Kunstfreunde sich international und noch weniger global orientieren, hat der Galerist Manfred M. Lang mit dieser nationalen Messe letztes Jahr ein perfektes Nischenprodukt gegründet: Dreißig der damaligen Teilnehmer stellen dieses Jahr wieder im Museumsquartier und einem angefügten Zelt aus. Malerei nach 1945 dominiert, selten werden auch Skulpturen angeboten, Roland Goeschls „Kubistische Säule“ (1988; 45.000 Euro) bei Kovacek etwa, oder Wolfgang Ernsts 90 Kilo schwere Bodenplatte „Art is uninteresting complete“ (1970; 40.000) bei Cajetan Grill. Seit Ernst sein Weingut in Kroatien vor zwei Jahren verkaufte – das bedeutete auch das endgültige Aus seiner „Creator Spiritus“-Spitzenweine –, war von diesem unkonventionellen Künstler kaum mehr die Rede. Grills Stand rückt jetzt wieder das künstlerische Werk in den Mittelpunkt und konnte auch sofort kleinere Wandarbeiten um 3.500 verkaufen.

Körper als Material. Vor allem aber ist viel gestische, expressive Abstraktion der Nachkriegszeit zu sehen. An nahezu jedem Stand Bilder in Kanapee-Größe von Arnulf Rainer, Adolf Frohner, Josef Mikl, Drago J. Prelog. Absoluter Spitzenreiter ist dabei Hans Staudacher, der unbeirrt seit den 50er-Jahren jene damals entwickelte „Informell“-Malerei variiert. Offenbar ist diese Kunst heute im Wohnzimmer angekommen und ein Verkaufsschlager – denn warum sonst sollten sich so viele Händler auf diesen einen Maler konzentrieren? Einen ähnlich hohen Wiedererkennungseffekt hat auch der Wiener Aktionismus, der mit Werken von Gunther Brus, Hermann Nitsch, Otto Mühl und Rudolf Schwarzkogler auf der Messe allgegenwärtig ist. Den spannendsten Stand bestückt damit die Galerie Krinzinger. Denn hier sehen wir, wie aktuell diese österreichische Kunst der 60er-Jahre bis heute ist und wie kunsthistorische Positionen im Werk späterer Kollegen aufgegriffen und weitergeführt werden. „Der Körper als Material“ ist das Thema, wozu Werke von Nitsch und Schwarzkogler, Franz West, Walter Pichler, aber auch Peter Kogler, Lois Weinberger, Angelika Krinzinger, Martin Walde und Ulrike Lienbacher gehören.

Einerlei der Nachkriegskunst. Spätestens hier wird man auch unruhig. Warum trauen sich nur so wenige Galerien, die nahe Vergangenheit mit in den Blick zu rücken, die Galeriearbeit der letzten zwanzig Jahre zu berücksichtigen? Sicherlich, die Werke von Hans Bischoffshausen aus den 60er-Jahren sind unbedingt einer erneuten Beschäftigung wert. Und die Malereien von Hundertwasser, die Elisabeth und Klaus Thoman (ab 300.000) und Galerie Welz (450.000) anbieten, sind weit besser, als es die populistische Selbstvermarktung des Künstlers erinnern lässt. Aber ansonsten haben sich die Händler hier auf einen einheitlichen Mix von bunt-abstrakter und frühmodern-gegenständlicher Kunst geeinigt. Warum ist kaum Konzeptkunst der 60er-Jahre ausgestellt, warum fehlen starke Positionen der 80er- und 90er-Jahre? Gunter Damisch ist zwar oft dabei, aber keiner seiner Kollegen der „Neuen Wilden“ wie Anzinger, Bohatsch oder Vopava. Kein Neo-Geo mit Rockenschaub, keine postmodernen Positionen – einzig Erwin Wurm durchbricht mehrmals das Einerlei der Nachkriegskunst. Offenbar entspricht diese Auswahl der aktuellen Nachfrage, aber eine Messe könnte hier ja Zeichen setzen und Entwicklungen antreiben.

Historisches Ambiente. Ein kleiner Lichtblick ist da die „bäckerstrasse4“, deren Programm auf demokratischen Auswahlprozessen basiert und die gänzlich auf junge Positionen setzen, am Stand mit hier ganz ungewohnt zeitgenössischen Skulpturen des Erwin-Wurm-Absolventen Thomas Gänszler (ab 2.500). Vielleicht wäre ja eine Zusammenlegung der ViennAfair und Art Austria eine Möglichkeit, die allzu scharfe zeitliche Zäsur mildern, wie es ja auch auf der Art Basel mit den Sektionen Klassischer Moderne und aktueller Kunst geboten wird? Noch sieht Manfred Lang dafür leider keine Möglichkeit, denn „die Art Austria benötigt ein historisches Ambiente“.


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