Wenn ein Mann neben sich einen Berg Erdäpfel
auf einem Tisch abbaut, indem er sie gegen einen großen chinesischen
Gong wirft, wirkt das eigenartig oder zumindest eigenwillig. Doch die
leise anklopfende Erinnerung an die Materialien der Arte povera
Künstler plus dem Gehabe der Hexenmeister der Fluxus-Kunst, etwa Nam
June Paik, trügt nicht. Der Kanadier Rodney Graham, Jahrgang 1949, hat
sich seit den Siebzigerjahren mit allen Künsten von der Musik über die
Literatur bis hin zu Film, Installation und Malerei befasst.
In der aktuellen Ausstellung der
Bawag-Foundation stellte er einen fiktiven Fluxushelden, vielleicht
aber auch sich selbst, ins Zentrum eines Schwarzweißfilms.
Dramatisches Licht fällt auf den Protagonisten, der mit dem Rücken
zum Betrachter sitzt und mit den mehr oder weniger erfolgreichen und
lautstarken Treffern den Gong malträtiert. Das Publikum versinkt links
in der Düsternis eines Saals mit einem Bühnenvorhang, vor dem der Gong
situiert ist. Alles geht in einem geradezu ärgerlichen Schneckentempo
vor sich.
Graham verweist dabei auf eine Anekdote über den Schlagzeuger der
legendären englischen Rockband Pink Floyd, der während einer langen
Jamsession in den Sechzigerjahren einen Gong mit Gemüse beworfen haben
soll. Dazu kleidet sich Rodney Graham mit kariertem Hemd, Jeans und
Red-Wing-Stiefel wie sein berühmter Namensvetter Dan Graham, von dem
derzeit im Unteren Belvedere ein Glaspavillon in der "Gartenlust"-Schau
zu sehen ist.
Wodka und Kunst
Aus den Wurf-Erdäpfeln hat Rodney Graham zusätzlich eine limitierte
Wodka-Edition gebrannt, die Flaschen sind nach Vorbild der konkreten
Poesie minimalistisch beschriftet und als Dias in Leuchtkästen
präsentiert, daneben ist das fiktive oder echte Destillationsgerät aus
Metall aufgebaut. Dabei ist eine bewusste Unsicherheit die Methode, um
den Betrachter neugierig zu machen.
Ist an dieser Künstlervita alles konstruiert oder gibt es auch ein Quantum Wahrheit?
In einem anderen Werk, wieder in Dialeuchtkästen, die diesmal wie
ein Renaissance-Triptychon gehängt erscheinen, tritt Graham als Musiker
einer Gruppe für alte Musik auf. Diese Präsentation erinnert zweifellos
an den bekannten Kollegen aus Vancouver, Jeff Wall – ein Querverweis?
Jedenfalls soll das Stück eines abenteuerlich modern anmutenden
Komponisten aus dem 14. Jahrhundert, Matteo von Perugia, und eine
Aufnahme des auf Alte Musik spezialisierten David Munrow Consort aus
den Siebzigerjahren, Graham dabei inspiriert haben. Dazu wird auch die
Zentralperspektive in Diskussion gestellt.
Parallelen, Stellvertreterpositionen und ironisches Hinterfragen
bestimmen diese letzten Endes viele Rätsel hinterlassende künstlerische
Haltung. Zumal in der Rezeption zuerst der Überbau mitsamt seiner
spöttischen Komponente und allen Seitenhieben auf sakrosanktes
Künstlertum und misslungene Versuche in Richtung Gesamtkunstwerk
begriffen werden muss. Denn im ersten Augenblick ist man auch bei den
Paraphrasen aller wichtigen Stile der klassischen Moderne in den
kleinformatigen Gemälden von Rodney Graham nur im Zweifel.
Für den Betrachter resultiert daraus zwangsläufig ein
Erfahrungsparcours, allerdings kein didaktischer mit einer Aussicht auf
Läuterung. Die Wege der neuen Kunst sind schließlich labyrinthisch.
Rodney Graham
Lobbing Potatoes at a Gong
Bawag-Foundation
Zu sehen bis 16. Juni
Ironische Distanz.
Dienstag, 10. April 2007