Netzkunst im Online-Museum

Olia Lialinas "first real net art museum" ist als Lehrstück für eine sinnvolle Netzkunstausstellung gedacht. Gezeigt werden sieben Versionen eines Film Noir.


Wie würde sich der interessierte Laie ein Museum für Internet-Kunst vorstellen? Moderne Architektur und jede Menge Computerscreens, auf denen CD-Rom-Versionen von erfolgreichen Netzkunstwerken zu sehen sind und dazu vielleicht noch der obligatorische Katalog-Verkauf an der Kassa? Weit gefehlt. Olia Lialina versucht mit ihrem Projekt first real net art museum einmal mehr, kuratorischen Nachhilfeunterricht in Sachen Präsentation von Netzkunst zu geben.

Kultobjekt Beziehungskiste

Im Mittlepunkt des Museums steht Olia Lialinas erster Netfilm my boyfriend came back from the war, von dem die Künstlerin selbst überzeugt ist, dass er bereits zu einem "Kultobjekt" geworden sei. Es handelt sich dabei um eine Dialogsituation im Stil des Film noir rund um eine Liebesbeziehung während des Krieges.

Gezeigt werden neben dem Original aus dem jahr 1996 auch sechs verschiedene Variationen dazu von Künstlern, die allesamt eng mit Lialina verbunden sind. Michaël Samyn etwa, mit dem sie bereits bei heaven and hell zusammenarbeitete, entwarf gemeinsam mit Auriea Harvey eine Flash-Version des Filmes. Die beiden nehmen übrigens zur Zeit auch an der Walker-Art Ausstellung Art Entertainment Network (AEN) teil.

Hinter dem Fernseher sitzen

Dragan Espenschied, Schüler Lialinas an der Merz-Akademie in Stuttgart, Mitbegründer des Assoziationsblasters und Autor verschiedenster Net-Projekte, schuf eine 3D-Fassung des Films in vrml. Man kann nun gleichsam um den Bildschirm herumgehen und den Film von der Rückseite des Screens aus (also seitenverkehrt) ansehen.

Der gespiegelte Boyfriend / ©Bild: Dragan Espenschied
Der gespiegelte Boyfriend / ©Bild: Dragan Espenschied

Weiters werden noch eine Real-audio- eine Text-only-, eine Animated-Gif-, eine Video-Version und ein HTML-Remix des Originals gezeigt. Ein Archiv widmet Lialina all jenen, die mit dem Projekt in Verbindung stehen und denen sie sich zu Dank verpflichtet fühlt. Die Künstlerin ist sich über die Allgemeingültigkeit dieses Teils ihrer Ausstellung allerdings nicht sicher: "Die Frage ist: Können andere das selbe für die Leute im Archiv empfinden wie ich?"

Experimentieren, spielen, ausloten

Lialinas Vorschlag für eine sinnvolle Ausstellung von net.art basiert vor allem auf der Idee, den Enstehungskontext eines Kunstwerks und seine Online-Umgebung zu zeigen und mit dem vorhandenen Material zu experimentieren, zu spielen und schließlich auszuloten, wie das Projekt sonst noch hätte aussehen können und was andere Künstler daraus machen würden.

Und außerdem, so Lialina, sei das "first real net art museum" auch "die Antwort auf jenen blöden amerikanischen Kurator, der einmal zu mir sagte: Ich hätte Deine Arbeit gerne in unserem Archiv, kannst Du sie mir bitte auf Video aufnehmen?"

Netzkunst ist wertvoll

Lialina widmet bereits seit Jahren einen Großteil ihrer künstlerischen Aufmerksamkeit strukturellen Themen der Netzkunst. Ihre Verkaufsgalerie art.teleportacia, die Ausstellungen Location=Yes (Ars Electronica 99) und "miniatures of the heroic period" (art.teleportacia), sowie ihr Online-Vermächtnis will'n testament sind nur einige Beispiele dafür, wie sie versucht, Kuratoren und Kunstkäufern den objektiven Wert von net.art zu vermitteln.

Das "first real net art museum" ist ihre letzte Bemühung in dieser Richtung, gibt sich Lialina überzeugt. Hat sie aufgegeben? Im Gegenteil: "Ich bin mit dem Erreichten zufrieden. Das San Francisco Museum of Modern Art (sfmoma) schreibt einen 500.000-Dollar-Preis für Netzkunst aus. Und andere Institutionen haben sich spät, aber doch, zu ähnlichen Aktionen entschlossen."

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