Performance-Preis H13 des Kunstraum NÖ geht heuer an "Dolce & Afghaner"

Wenn der Boulevard mal wieder angepisst ist


Wien.

Mit der Aktion hatten Dolce & Afghaner Erfolg in Bezirken mit hohem Migranten-Anteil.

Mit der Aktion hatten Dolce & Afghaner Erfolg in Bezirken mit hohem Migranten-Anteil. Mit der Aktion hatten Dolce & Afghaner Erfolg in Bezirken mit hohem Migranten-Anteil.

Es ist wieder einmal soweit. Ein "Kunstskandal" erregt die Gemüter der Leser einer Gratis-Boulevard-Postille und Straches Gesichtsbuch-Jünger. Was steckt hinter dem vermeintlichen Skandal? Oder sind es nur letzte mediale Rülpser aus dem Sommerloch?

Zu den Fakten: Zum fünften Mal verleiht der Kunstraum Niederösterreich den Kunstpreis H13. Ein Preis, der gezielt an Performance-Künstler verliehen wird und mit 2000 Euro dotiert ist. Es war eine bewusste Entscheidung, den Preis für diese Kunstsparte auszuloben, erklärt Christiane Krejs. Man wollte unbedingt vermeiden, noch einen Preis für Malerei, Grafik oder Fotografie zu schaffen, derer es schon zahlreiche gibt. Für Performance-Kunst ist es ungleich härter, eine nachhaltige Öffentlichkeit zu generieren, und noch schwieriger ist es, sich am Kunstmarkt zu etablieren. Daher bietet dieser Preis den Gewinnern die Möglichkeit, speziell für den Kunstraum Niederösterreich eine Performance zu konzipieren.

Information

Kunstraum Niederösterreich: 1010 Wien, Herrengasse 13; www.kunstraum.net

Nun, dieses Jahr wurde dem Performance-Duo "Dolce & Afghaner" dieser Preis zugesprochen. Hinter diesem Duo stehen die bildende Künstlerin Djana Covic und der Kulturtheoretiker Fahim Amir, die seit 2006 unter diesem Label international Performances, oft auch in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, gezeigt haben. Wobei es für das Duo wichtig ist, die einzelnen Themen, wie Politik, Migration, Bildung und Integration, in ihren Arbeiten zu hinterfragen - und dabei auch manchmal ihr Stammpublikum zu verstören. Wie in jener Aktion, als sie eines dieser Kurz’schen Hummer-Geil-O-Mobil mit quasi-politischen Slogans verzierten, wie "Wer hier ist, ist von hier". Mit diesem Gefährt und den Sprüchen hatten sie beachtlichen Erfolg in Bezirken mit hohem Migranten-Anteil. Weniger Enthusiasmus war zu spüren, als sie mit dem Protzwagen bei einer Studentendemo mitfuhren und ins Eck reicher Döblinger Schnösel gestellt wurden, wie Djana Covic erzählt. Ohne dass sich die Mitdemonstranten mit den inhaltlichen Aussagen auseinandergesetzt hätten.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung findet in der Gratispostille und auf der FP-Facebookseite auch nicht statt. Diesen Rufern nach dem "richtig Wahren und Schönen" genügt es, dass das Duo vor einigen Jahren eine Plakataktion mit dem Titel "Hamam statt daham" gestartet hat, die eine verkleidete Gruppe von Menschen vor der Wiener Karlskirche zeigt. Und ein paar dieser Menschen pinkeln in den Teich davor.

Das geht natürlich gar nicht, in einem Land langjähriger Aktionismusbekämpfung und -bestrafung. Dabei ist es interessant zu beobachten, meint Fahim Amir im Gespräch, dass sich augenscheinlich niemand darüber echauffiert hat, dass die Karlskirche im Hintergrund mittels Photoshop zu einer Moschee umgewandelt wurde.

Im Kunstraum Niederösterreich ist das Duo für seine Performance "We came all here broken hearted, wanted to shit, but only arted" zum ersten Mal mit einer klassischen White-Cube-Situation konfrontiert. Eine neutral-saubere Situation, die dafür geschaffen ist, der klassischen Tradition österreichischen "Fäkalismus" (in der Kunst wie bei den Aktionisten, aber auch beim täglichen Fluchen) die Ehre zu geben. So wird eine Wand des Kunstraums mit Klosprüchen unterschiedlichster Regionen und Kontexte beschriftet werden. Frei nach dem Ausspruch aus "Kottan ermittelt": "Die Kunst einer Nation erkennt man an ihren Scheißhäusern".

Man darf auf die kommende Präsentation von "Dolce & Afghaner" am Freitag gespannt sein, wobei die Performance durch die angesprochenen Artikel und Hasstiraden schon einige Zeit vor der Premiere begonnen hat. Und die beteiligten Journalisten, Kuratoren, Künstler, Politiker und Wutbürger nehmen aktiv an diesem Spiel teil.





URL: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/kunst/?em_cnt=395015&em_loc=77
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