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Österreichs Ausstellungsjahr: Ungewohnte Frauenpower

11.01.2010 | 18:31 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Frida Kahlo, Egon Schiele, Prinz Eugen - Im weiblich dominierten Ausstellungsjahr 2010 geben sich Stars der Kunstgeschichte die Museumsklinke in die Hand. Was Sie nicht versäumen sollten:

Freier Eintritt für Schulkinder in Bundesmuseen, im Mumok auch für Studierende und teils unverschämt günstige Jahreskarten wie die neue des Kunsthistorischen Museums (29 Euro!) – Sparbudgets sind heuer also keine Ausrede für lapidares Kunstbanausentum. Noch dazu kündigt sich heuer ein qualitativ beachtlich dichtes, ungewohnt weiblich dominiertes Ausstellungsjahr in Österreich an, sanft eingeleitet von einer Sonderschau im KHM rund um Vermeers Meisterwerk „Die Malkunst“, dessen Einflüsse bis in die zeitgenössische Kunst, zur Malerin Maria Lassnig oder zum Filmemacher Peter Greenaway, verfolgt werden (26.1. bis 25.4.).

Die Königin des Jahres aber stammt aus südlicheren Gefilden, Frida Kahlo wird im Herbst (1.9.–5.12.) für einen Ansturm auf das Bank Austria Kunstforum sorgen – wer weiß, ist es der letzte in dem zum Verkauf stehenden Bankengebäude? Wer schon neugierig ist, kann die 70 Gemälde reiche Kahlo-Retrospektive bereits in Berlin erleben, wo sie von 4.4. bis 9.8. im Gropius Bau Premiere hat.

Die Österreich-Premiere einer zweiten starken Malerin der Moderne beschert heuer die Kunsthalle Krems: Direktor Hans-Peter Wipplinger ist mit der großen Retrospektive auf die 1907 so jung, mit 31 Jahren gestorbene Paula Modersohn-Becker ein erster Coup gelungen (14.3.–4.7.).

Überhaupt nur 28 Jahre alt wurde Egon Schiele, das Belvedere zeigt im Herbst eine große Ausstellung seiner Selbstdarstellungen und Porträts (1.10.2010–13.2.2011), eine Schiele-Dichte, die fast genau ein Jahr später, zum zehnten Geburtstag des Leopold Museums, zu übertreffen wohl versucht werden wird. Fast biblische 91 Jahre alt durfte dagegen Max Weiler werden, dem zum 100.Geburtstag heuer die Sammlung Essl eine große Ausstellung ausrichtet: „Die Natur der Malerei“, kuratiert vom scheidenden Mumok-Chef und Weiler-Intimus Edelbert Köb (19.3.–29.8.).

Zu Recht bereits als ein wenig redundant entlarvt (Alex Katz, Warhol, Rudolf von Alt, Michelangelo) wurde das diesjährige Programm der Albertina, aus dem der südafrikanische Trickfilmer William Kentridge (29.10.–7.2.) und – wieder einmal – Picasso hervorsticht: Diesmal wird in Kooperation mit der Tate Liverpool das politische Engagement des Malers beleuchtet (24.9.–16.1.2011).

Thematisch scheinen sich die Ausstellungsmacher heuer nach dem stark politisch geprägten Jubiläumsjahr 2009 (Mauerfall) aber in weniger ideologischen Gefilden auszuruhen. Eine der größten Themenschauen des Jahres ist ein historisches Heimspiel: Im Unteren Belvedere und der Orangerie wird das barocke Lebenswerk von Prinz Eugen von Savoyen als „Feldherr, Philosoph und Kunstfreund“ dargestellt (11.2.– 6.6.). Ein wahrer „Augenschmaus“ verspricht auch eine Gruppenschau über Essen im Stillleben im Bank Austria Kunstforum zu werden (10.2.–30.5.), ein Pflichttermin für Hedonisten. Zeugnis weniger harmonischer Begebenheiten liefert das Kunst Haus Wien mit der Fotoausstellung „Kontroversen“, die Bilder des öffentlichen Anstoßes von Man Ray, Tobert Capa bis Henri Cartier-Bresson und Robert Mapplethorpe versammelt (11.2.–6.6.).

Ein anderes „Neues Medium“, das Fernsehen, steht im Mumok im Kunst-Check: „Changing Channels“ zeigt, wie die Avantgarde sich von den 60er- bis in die 80er-Jahre am neuen Massenmedium rieb, wobei Andy Warhol und Peter Weibel natürlich nicht fehlen dürfen (5.3.–6.6.).

Das Leopold Museum zeigt heuer verstärkt seine internationalen Kontakte – gemeinsam mit dem Institut Mathildenhöhe Darmstadt zeigt man eine umfassende Schau über den Jugendstilkünstler Joseph Maria Olbrich (18.6.–27.9.), und im Herbst sind Hauptwerke der Basler Privatsammlung Beyeler zu Gast, „Giacometti-Cézanne-Picasso“ (17.9.–17.1.), die im Gegenzug Meisterwerke der Leopolds für ihre „Wien 1900“-Ausstellung bekommt.

Ein großer – zufälliger – Schwerpunkt des Jahres aber liegt auf der jungen Kunst: Die Kunsthalle Wien lässt zum dritten Mal ausländische Kuratoren die aktuelle Wiener Szene durchforsten („Lebt und arbeitet in Wien“,5.3.–30.5.), auch die Secession gibt der „Jungen Szene“ wieder Raum (2.7.–29.8.), und in Linz wird die „Erste Triennale für zeitgenössische Kunst“ von Landesgalerie, OK Centrum und Lentos veranstaltet (3.6.–26.9.), bei der „nicht das Abgesicherte“, sondern Experimentelles im Mittelpunkt stehen soll.

Eine Kategorie, in der VALIE EXPORT einst nicht fehlen durfte, der Oberösterreicherin wird zum 70.Geburtstag die größte Personale des Jahres ausgerichtet, vom Linzer Lentos und dem Belvedere gemeinsam (16.10.–30.1.). Auffällig ist die ungewöhnliche, fast schon ins Positive umgekehrte Frauenquote bei den großen Retrospektiven auf lebende Künstler – Siegfried Anzinger (26.11.2011 im Lentos) und Franz West (24.9.–9.1.2011 im Kunsthaus Graz) wirken da fast wie Quotenmänner. Brigitte Kowanz' „Sprache des Lichts“ wird im Mumok gefeiert (25.6.–3.10), Birgit Jürgenssen im BA-Kunstforum (16.12.–6.3.) – und im Kunsthaus Bregenz scheinen mit dem neuen Direktor Yilmaz Dziewior endlich auch die Damen in den schicken schillernden Glas-Kubus eingezogen zu sein: Roni Horn, Candice Breitz und Cosima von Bonin dürfen heuer gegen die mächtigen Räume antreten.

Ein internationales Programm, das dazu bewegt, einen Blick in die internationalen Kunstzentren zu werfen: Nicht versäumen sollte man die „6.Berlin Biennale“, kuratiert von der Österreicherin Kathrin Rhomberg (11.6.–8.8.). Die serbische Grande Dame der Performance, Marina Abramovic, ist während ihrer Retrospektive im Museum of Modern Art in New York angeblich täglich anwesend (14.3.–31.5.), wohl ein Tabu für den scheuen Lucian Freud, auf dessen großes Porträtwerk im Centre Pompidou (10.3.–19.7.) zurückgeblickt wird. Doch Paris kann noch mit einem weiteren Highlight locken: Erstmals seit 20 Jahren wird im Grand Palais wieder umfassend Claude Monets gedacht (20.9.–24.1.). Kollege Gustave Courbet begibt sich dagegen für ein Gastspiel in die Schirn Kunsthalle (15.10.–30.1.). Bleibt nur noch, Arnulf Rainers Fanklub sachte auf einen kleinen Ausflug vorzubereiten, zur großen Retrospektive in der Alten Pinakothek München (10.6.–5.9.).


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