Salzburger Nachrichten am 9. Februar 2006 - Bereich: Kultur
Die Messekoje als Café Österreich als Gastland
der Kunstmesse ARCO in Madrid: 24 Galerien präsentieren zeitgenössische
Kunst vom Valie-Export-Fotoklassiker bis zum Mini-Beton-Porsche.
MARTIN BEHRMADRID (SN). Der Künstler ist am Boden zerstört. Sein Kopf
lehnt an einer Säule, sein Herzschlag ist deutlich sichtbar. Der Körper
ist teilweise entmaterialisiert. Ob er den Doppelliter neben ihm nächtens
geleert hat? Mit seinem ironischen Skulpturen-Selbstporträt auf dem Stand
der Grazer Galerie Eugen Lendl sorgte der Künstler Werner Reiterer beim
Presserundgang auf der Kunstmesse ARCO in Madrid für Aufsehen. Die Messe,
bei der Österreich heuer als Gastland auftritt, wird heute, Donnerstag, im
Beisein des spanischen Königs Juan Carlos offiziell eröffnet. Die zeitgenössische Kunst Österreichs wird auf der ARCO von 24 Galerien
vertreten, die von einem sechsköpfigen Gremium ausgewählten Kunsthändler
präsentieren sich im hintersten Winkel der Halle 7 und machen dabei - auch
im internationalen Vergleich - mehrheitlich eine gute Figur. Österreich
wolle ein "vitales Zeichen unserer Zeitgenossenschaft" ablegen, erklärte
Kunst-Staatssekretär Franz Morak am Mittwoch in Madrid. Gemeinsamkeiten von Spanien und Österreich Morak erinnerte an große
Gemeinsamkeiten der beiden Staaten, etwa an die Berührungspunkte zwischen
Cervantes und Musil oder daran, dass sich Sigmund Freud in seiner
Traumdeutung auf die "Schwarze Malerei" von Goya bezogen hatte. Die heimische Galerienszene betrachtet den Gastauftritt in der
spanischen Hauptstadt als Chance, einen "Fuß in einen reizvollen, bislang
unentdeckten Markt setzen zu können", wie es Eugen Lendl ausdrückte.
Sollte sich die Präsenz auf der bis kommenden Montag geöffneten Messe
finanziell rentieren, werde er auch in Zukunft anreisen. Auf "interessante Tage" freut sich auch die Wiener Galeristin Christine
König: "Ich bin neugierig, ob mein insgesamt doch eher
intellektuell-sprödes Programm hier ankommt." König zeigt unter anderem
eine reizvolle Fotoserie der Schwedin Ann-Sofi Siden. Aus dem üblichen Messerahmen fällt die Performance der Wiener Galerie
Georg Kargl. Der Galerist ließ seinen Stand von Gerwald Rockenschaub zu
einem bunten Café und Kommunikationsort umbauen, das Publikum nimmt
Sitzgelegenheiten und Gratisespresso gerne an. Kargl ist wie Hubert
Winter, Elisabeth und Klaus Thoman und Heike Curtze auch im allgemeinen
Programm der ARCO vertreten, auffällig sind hier die kleinformatigen
Gemälde mit Retrocharme sowie eine Schaukelskulptur des Salzburger
Künstlers Markus Schinwald. Mit der Negativform eines Porsche-Abgusses von Gottfried Bechtold hat
die Bregenzer Galerie Lisi Hämmerle einen Blickfang in ihrer Koje, aus
Beton gefertigte Mini-rennwägen gibt es ebenfalls zu kaufen. Gleichfalls
ironisch wie monströs: die bemalte Mutter-mit-Kind-Keramik "Flora" von
Ulli Knall. Einen Valie-Export-Schwerpunkt präsentiert die Wiener Charim
Galerie, Fotoarbeiten der österreichischen Künstlerin werden in einen
Dialog mit der Serbin Milica Tomic gesetzt. Was beide Positionen eint, ist
das Interesse für Geschlecht, Identität und Nation. Im Unterschied zu vielen österreichischen Galerien war Ursula
Krinzinger schon in der Vergangenheit auf der ARCO vertreten, die
"Veteranin" zeigt Arbeiten von Angela de la Cruz, Bjarne Melgaard, Eva
Schlegel, Martin Walde und Erwin Wurm, dessen Personale "The Idiot" heute,
Donnerstag, in Madrid (Sala de Exposiciones del Canal de Isabel II)
eröffnet wird. Aus Graz ist die Galerie&Edition Artelier angereist, im Gepäck
hatte Petra Schilcher unter anderem Grafiken des kürzlich verstorbenen
Künstlers Jörg Schlick und den USA-Fotozyklus von Michael Schuster. Positive Akzente setzen auf der ARCO auch die Galerie Hilger
Contemporary (u. a. Neues von Andreas Leikauf), die Galerie Mezzanin
(Katrin Plavcak) und die Gabriele Senn Galerie mit unkonventionellen
Arbeiten von Bernhard Frühwirth und Hans Weigand. Das Künstlerduo Deutschbauer/Spring erweist sich immer mehr als
rot-weiß-rotes Pendant zum deutschen Kunst-Adabei-Duo Eva&Adele, zum
25-Jahre-Jubiläum der ARCO sammeln die beiden Aktionisten Wortspenden mit
ihrer "Interview Machine" ein. Österreich feiert und lässt sich in Madrid
feiern, Mittwochabend erhielt der Unternehmer Karlheinz Essel den
ARCO-Sammler-Preis: Eine Würdigung für die mittlerweile 5000 Werke
umfassende "Sammlung Essl". |