Salzburger Nachrichten am 04. September 2003 - Bereich: kultur
Aus Freude am Sammeln

Die Ausstellung "Im Bann der Moderne" im Kunstforum in Wien zeigt eine bisher noch nie in der Öffentlichkeit präsentierte Schweizer Privatsammlung.

GÜNTHER FROHMANN

"Gesammelt wurde aus Freude, es geschah einfach" - so unkompliziert skizziert Doris im Obersteg das Entstehen einer seit 1916 aufgebauten spektakulären, aber bisher kaum bekannten Schweizer Privatsammlung. Begründer der Kollektion ist ihr Schwiegervater, der Basler Transportunternehmer Karl im Obersteg, der nach persönlichen Vorlieben, vor allem aber über persönliche Kontakte mit Künstlern wie Alexej Jawlensky mit Leidenschaft sammelte.

Sein Sohn Jürg erweiterte die Sammlung in Richtung Konstruktivismus und Kunst nach 1945, dessen Witwe - Doris im Obersteg - wandelte sie 1992 in eine Stiftung um. Unter der Devise "Im Bann der Moderne" werden ab heute im Kunstforum in Wien Meisterwerke aus der Sammlung Karl und Jürg im Obersteg in einer klug konzipierten, den einzelnen Exponaten entsprechenden Raum gewährenden Schau erstmals überhaupt der Öffentlichkeit präsentiert. Danach werden sie in den Bestand des Kunstmuseums Basel integriert und bereichern dessen an sich schon sensationellen Fundus.

Die Auswahl im Kunstforum betont den privaten Charakter der Sammlung und dokumentiert die persönlichen Vorlieben der Sammler, die sich natürlich auch auf Schweizer Künstler wie Ferdinand Hodler und Cuno Amiet konzentrierten. Das Schwergewicht liegt auf der Klassischen Moderne mit der Betonung auf das Figürliche, das eher Realistische. Da hängen an einer Wand im zentralen Raum drei ungeachtet ihres Sujets monumentale Chagall-Gemälde aus 1914, drei Porträts von Juden "in Grün", "in Rot" und "in Schwarz". Es sind Wanderprediger, Bettler in extrem kühner Farbgebung, realistisch, aber noch gekennzeichnet von kubistischen Pariser Einflüssen. Entstanden sind die Porträts unmittelbar nach der Rückkehr Chagalls in seine Heimatstadt Witebsk. Ergänzt wird diese Porträtreihe durch das einzige, seltsam spöttisch wirkende Selbstbildnis des Künstlers.

Wichtige Bilder von Picasso

Sofort zieht auch Picassos "Absinth-Trinkerin" die Aufmerksamkeit auf sich. Dem gerade zwanzigjährigen Picasso ist damit ein Gleichnis für Verlorenheit, Leere und Elend von klassischer Formprägung gelungen. Das Werk steht zu Beginn seiner "Blauen Periode". Die Schau zeigt noch drei weitere Picassos, darunter eine vierzig Jahre später entstandene Bronzeplastik "Die Äffin und ihr Junges". Sie dokumentiert die grenzenlose Fantasie des Künstlers - der Kopf des Affen ist ein Spielzeugauto, der Bauch ein Krug.

Ein eigenes Kabinettt der Schau ist ausschließlich Alexej Jawlensky gewidmet. An Hand der Sammlung Im Obersteg kann die Entwicklung seines Werkes von den realistischen Anfängen über die expressionistische Phase bis hin zu seinen späten "Mystischen Köpfen" und "Meditationen", Reduktionen des menschlichen Gesichtes, studiert werden. 1919 hatte Karl im Obersteg im Tessin den Emigranten Jawlensky und dessen Lebensgefährtin Marianne Werefkin kennen gelernt. Er half ihnen mit Ankäufen, eine lebenslange Freundschaft entstand.

Zum Kostbarsten zählen vier Aquarelle von Paul Klee, zauberhafte Meisterwerke, die in ihrer zerbrechlichen Linienführung zu schweben scheinen. Ein "Badender" von Ce`zanne, ein großartiger Modigliani, Plastiken von Rodin und Maillol, Arbeiten etwa von Derain, Redon, Rouault, Chaim Soutine oder Vlaminck ergänzen die Auswahl. Nur knapp gestreift werden die Bereiche Konstruktivismus und Kunst nach 1945. Immerhin steht der Besucher vor Großformaten von Jean Dubuffet und Antoni Ta`pies. Als Ganzes beweist die Schau, was private Sammlerlust, Sammlerleidenschaft vermag.

Bis 30. November, tägl. 10 bis 19 Uhr, Fr. bis 21 Uhr, Katalog 33 Euro.