Salzburger Nachrichten am 12. Juni 2001 - Bereich: kultur
Zwischen Kunst und Wunderkammer

Jetzt ist die Kunsthalle Wien ganz eröffnet - Die erste Großpräsentation "Eine barocke Party"

Das gelungene Ambiente von Alt und Neu in der Architektur der Kunsthalle Wien motiviert für die große Eröffnungsausstellung zu einem ähnlichen Versuch in der Kunst. Barockes Lebensgefühl alt und neu ist das Thema der Ausstellung und der Events. Der Standort der neuen Kunsthalle im Fischer- von-Erlach-Gebäude drängte förmlich ein Thema auf, das eigentlich sehr gut zu Österreich passt, das durch die Kuratoren Sabine Folie und Michael Glasmeier zwar den Bogen zur Architektur spannt, nicht aber zu Künstlern und Ländern, die wir als mit barockem Lebensgefühl ausgestattet empfinden.

"Eine der Sachen, die mich verrückt machen, ist der internationale Stil" - mit diesem Zitat von Paul Thek, dem Amerikaner aus New York, erklären sich seine Reiselust und seine späteren Wohnorte Rom oder Amsterdam, aber auch seine Arbeit in der Auseinandersetzung mit religiösen Ritualen und Lebenslust. Als Österreicher kann man allerdings nicht umhin, sich dabei an Günther Brus und Hermann Nitsch erinnert zu fühlen.

Dinos & Jake Chapman, Vertreter einer jüngeren Generation, immer gut für einen vielleicht heilsamen Schock, steht die Rolle gut, sich mit der Nähe zum Tod im barocken Lebensgefühl auseinanderzusetzen. Riesige beschriftete Totenköpfe arbeiten mit den "reinen" Mitteln der Kunst. In den farbigen Zeichnungen sind die beiden übrigens subtiler.

So schließen sich die Kreise. Der fremde Blick eröffnet uns ein Barock aus England, Belgien, Deutschland und Amerika - das ist sehr interessant, aber mit Dinos & Jake Chapman, Wim Delvoye, Ulrike Grossarth, Yvonne Rainer, Sam Taylor-Wood, Paul Thek sieht man eher Randpositionen transformierten barocken Lebensgefühls und dessen künstlerischer Repräsentanz. Das "Oszillieren zwischen Allegorie und Realismus, Fest und Vanitas, zwischen Erotik und Religion, zwischen heilig und profan, dargestellt durch theatralische, rhetorische und illusionistische Kunstgriffe", hätte man vielleicht auch in so "klassischen" Ländern wie Italien und Spanien suchen müssen.

Denk-Räume einer Tänzerin (Yvonne Rainer), eine witzige "barocke" Mischmaschine, der "Verdauungsapparat" als Kunstwerk zwischen Wissenschaft und Technik, die Hysterie als Projektion lassen den Ausstellungsrundgang dennoch abwechslungsreich erscheinen. Der Spagat zwischen "hehrer Kunst" und Wunderkammer ist jedenfalls gelungen.

JANA WISNIEWSKI

Kunsthalle Wien bis 16. 9., tägl. 10-19 Uhr, Do 10-22 Uhr. Infoline: 01/52189-33.