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KONFERENZ: Das brisante Thema der Archivierbarkeit von Netzkunst markierte den fünften Tag

Vergesst doch den Ewigkeitsanspruch

Ars Electronica 2001. Take Over. Tag fünf und somit Tag zwei des Konferenzenblocks im Mittleren Saal des Linzer Brucknerhauses.
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Computerkunstwerk geschaffen. Vielleicht irgendwann vor zehn Jahren. Auf einem mittlerweile längst überholten Computer. In einem längst überholten System. Irgendwann passiert, was man "den Weg alles Irdischen" nennen könnte. Sie haben einen Computerschaden, das Kastl hat Schrottwert. Ihre Werke auch. Denn die neue Hard- samt Software ist nicht im Stande, das Original zu rekonstruieren, wie es war. Pech.
Ausgesprochen interessant war diese hier zur Diskussion gestellte Problematik. Als Titel der Konferenz hatte Ars-Chef Gerfried Stocker ein Zitat des japanischen Künstlers Masaki Fujihata gewählt. Stocker hatte es bereits im Vorwort des Jubiläumsbandes 1999 verwendet: "From Document to Event." Der Zusatz: "What will remain?", also "Was bleibt übrig?", verweist auf den Inhalt des viele Fragen aufwerfenden Vormittags: Welche Möglichkeiten gibt es, Netzkunst zu archivieren, zu dokumentieren, auch nach Jahren verfügbar zu halten?
Fujihata zeigte eine interessante Querverbindung von Musik und Computerkunst auf: Bei beiden wird die Anleitung überliefert, die Partitur. Was - ebenso wie bei der Musik und ihrer zeitgemäßen viel diskutierten Rezeption - für uns die Frage nach den Variationen einer Interpretation in ferner Zukunft aufwirft.
Aber ist das Überleben in der Philosophie des schnelllebigen neuen Mediums globaler Netzkunst überhaupt ein Thema? Ist der Ewigkeitsanspruch in diesem Bereich der Kommunikation und der Mobilität nicht längst zum Vergessen? Schließlich geht es großteils nicht um ein abgeschlossenes Bildwerk, sondern um sich ständig erneuernde Prozesse, um "work in progress".
Am Rande angeschnitten hat diese Problematik der Kanadier Alain Dépocas, langjähriger Leiter des Dokumentations- und Forschungszentrums "Fondation Langlois": "Das Kunstwerk wird nur eine Erinnerung seiner selbst sein." - so Dépocas, der auch die Frage nach dem, was erhalten werden soll, aufgeworfen hat und dazu Beispiele aus der Fondation Langlois vorstellte (fondation-langlois.org/e/projets /index.html). Dépocas weiter: "Es ist schwierig, weil immer weniger Objekte als vielmehr Phänomene enstehen." Und wie sollen Phänomene auch anders als durch Beschreibung archiviert werden können?
Die eingangs erwähnte Horrorvision der verschwundenen Originale betreffen denn auch weniger die Animationen (davon bleiben Filme übrig) und weniger die echten Netz-Artisten als vielmehr die zwar mit Computerprogrammen, aber doch im konventionellen Bildbereich Arbeitenden wie die kanadische Künstlerin Char Davies und den Österreicher Johannes Deutsch. Sie (müssen?) viel Zeit mit Rekonstruktion vertun .
Heutiges Thema (ab 10.30 Uhr, Brucknerhaus): Wer sind die Macher der Kunst, ihre Verwalter und Förderer?


OÖN vom 06.09.01 zuletzt geändert am: 05.09.01 17:49:51


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