Salzburger Nachrichten am 8. Juni 2005 - Bereich: kultur
Da sieht man gelb! Zwei Wochen lang ist die
Wiener Neubaugasse nicht mehr wie sie war: Für ihre Installation "Delete"
verhüllten zwei Künstler alle Firmenschilder.
LASZLO MOLNARWIEN (SN). Noch schnell auf einen Kaffee zu Starbucks in
Wiens Neubaugasse. Das Auge sucht die Häuserfronten ab und sieht das
vertraute Grün. Aber kurz vor Betreten des Geschäfts stutzt man doch: Ist
das wirklich Starbucks, ist man nicht versehentlich in ein anderes Lokal
gegangen? Irgend etwas fehlt. Richtig, das Zeichen. Obwohl draußen alles
vertraut ausgesehen hat, war doch das runde Logo nicht zu sehen. Auch bei
bekannten Dingen sind wir anscheinend auf die Zeichen angewiesen. Mit diesem Phänomen spielen der Kunsthistoriker und Bildhauer Christoph
Steinbrener und der Grafiker Rainer Dempf in ihrer Installation "Delete",
die seit Montag die Neubaugasse von der Mariahilfer Straße bis zur
Lindengasse bestimmt. "Delete" heißt so viel wie entfernen, löschen. Was
in der Einkaufsstraße mit ihren Einzelhandelsgeschäften "gelöscht" wurde,
sind die Firmenschilder und Unternehmenslogos. An ihrer Stelle sind jetzt
gelbe Flächen ohne jede Aufschrift. Hier und da schimmert noch ein
Schriftzug durch, dort sieht man die typischen Umrisse des
Trafik-Schildes: Alles, was Schrift war in diesem Bereich der Neubaugasse,
wurde von den Künstlern, natürlich mit Genehmigung der Geschäftsinhaber,
überklebt oder verpackt. "Entschriftung" nennen die beiden Künstler ihre
Arbeit, eine besonders provokative Art von Kunst im öffentlichen Raum.
Im Gespräch mit den SN berichten Steinbrener und Dempf, dass die Aktion
mit einer Fotomontage begann, auf der sie die Schriftzüge durch Übermalen
verschwinden ließen. Die Umsetzung in den dreidimensionalen Raum habe sie
mehr als zwei Jahre gekostet, der größte Teil der Arbeit bestand aus der
Überzeugung der Geschäftsleute und der Behörden. Die Überklebung und
Verpackung mit dem gelben Material habe dann dreißig Leute drei Tage lang
beschäftigt. Eigentlich wollten sie alles Schriftliche in dem Abschnitt
verschwinden lassen, sagen Dempf und Steinbrener, also auch Plakate und
Haltestellenschilder, aber das wäre ein unbewältigbarer Aufwand
gewesen. Gelb wurde gewählt, weil die Farbe auch eine Markierung sei und zeigen
sollte, dass da etwas anderes war. Die Besucher dieses Teils der
Neubaugasse sollen erleben, wie die Gasse eigentlich aussieht ohne die
schriftlichen Blickfänger an allen Orten. Alle Geschäftsleute seien
kooperativ gewesen, sagt Steinbrenner und zeigt sich mit dem Ergebnis
zufrieden. Das bestätigt eine Blitzumfrage. Zufriedene Gesichter überall, ob bei
Starbucks, dem Bekleidungsgeschäft nicht weit davon oder dem HiFi-Händler
an der Ecke: Das erzeuge viel Aufmerksamkeit, die Besucher schauten
genauer hin, was denn in dem Geschäft angeboten werde. Bis zum 20. Juni
bleibt die Neubaugasse so auffällig verhüllt.Mehr Bilder und Info:
www.steinbrener-dempf.com |