22.10.2003 21:47
Adam und Eva für Mick Flick
Londons erste Messe für Gegenwartskunst, die Frieze Art Fair, hinterlässt
zufriedene Händler wie strahlende Adabeis - Foto
Dem Kunsttross wurde ein weiterer Pflichtstopp verordnet: Die
erste Frieze Art Fair muss gesehen haben, wer auch weiterhin dabei sein will.
Und: Londons erste Messe für Gegenwartskunst hinterlässt zufriedene Händler wie
strahlende Adabeis.
London - Ernsthaft und doch unterhaltsam, respektvoll, auch ketzerisch,
kritisch und offen sollte sie sein, die erste Londoner Kunstmesse. Die
Organisatoren Matthew Slotover und Amanda Sharp hielten sich ans Konzept ihres
1991 gegründeten frieze magazine für aktuelle Kunst und vermieden die plumpen
Schwerfälligkeiten aufgeblasener Apparate.
Und so kam die Frieze Art Fair
hyperleicht und ultralässig daher. Schon das Zirkuszelt im Regent's Park
signalisierte Beweglichkeit, und Jeppe Heins rotierende Hollywoodschaukel auf
der Wiese war die Metapher für nicht enden wollende Energien. Der Hochseilakt,
den strapazierten Fahrenden des Kunstbetriebs einen weiteren Stopp an der Tränke
zu verordnen, gelang, nicht zuletzt mit Argumenten wie Olafur Eliassons
unübertrefflichem Weather Project in der Tate Modern oder Paul McCarthy's
Pandämonium in den denkmalgeschützten Räumen der neu eröffneten Galerie Hauser
& Wirth an der Seite.
Ob Pet Shop Boys oder Mick Flick, keiner wollte
sie versäumen, die heißen Nummern an der Themse. Unter dem goldenen Herbstlaub
der Platanen füllten knapp über 100 handverlesene Galerien 11.000 Quadratmeter
an kostspieliger Ausstellungsfläche auf dem leicht abschüssigen
Parkgelände.
Die Liste der Aussteller reichte von US-Marktgiganten über
die nahezu komplett angetretene Londoner Homebase bis zu den kleineren
Laborflächen von Foksal, Warschau, oder Side 2, Tokio, die mit einer
In-situ-Installation von Elke Krystufek großzügig ins Vergängliche investierten.
Wie überhaupt installative und skulpturale Arbeiten das Bild prägten.
Bei neugerriemschneider etwa sah man ein lebensgroßes Selbstporträt von Pavel
Althamer als Adam, daneben Eva mit Handy statt Apfel (je 25.000 Euro) neben
einem spiegelnden Kaleidoskop von Olafur Eliasson (65.000 Euro), bei David
Zwirner eine Marmorbox von Charles Ray, gefüllt mit bazookafarbenen
Magentropfen, und die raffinierte Gegenüberstellung von Bruce Naumans
Wachsköpfen (850.000 USD) und einem Gewirr aus naumanesken Neonschriften von
Jason Rhoades.
Bei Chantal Crousel gab's Thomas Hirschhorns Nail
Sculpture, red (40.000 Pfund) und bei White Cube Gavin Turks wunderbaren,
beziehungsreichen Brillo-Karton (22.000 Pfund) und ein paar Styroporbecher (5000
Pfund). Den Müll gießt Turk in Bronze und bemalt ihn liebevoll. Neben diesen
Kleinigkeiten kommt Damien Hirsts Medizinschränkchen mit 55.000 Pfund schon
etwas teurer.
John Bocks wüstes Performance-Derivat aus Holzgerüst und
Kleidern (Klosterfelde) begegnete Karen Kilimniks nett bebildertem Salon (303
Gallery), bei Maureen Paley präsentierten Muntean/Rosenblum eine neue,
gezeichnete Version ihrer Lost-Paradise-Bilder mit aufgeklebten Texten, während
Pjotr Uklansky seine Botschaft gleich spontan auf die Wand sprayte (GBE Modern).
Unter den Usual Suspects trafen etliche Fotos von Andreas Gursky auf
etliche Gemälde von Neo Rauch, Ugo Rondinone und Christopher Wool. Was die
siebente Kunst betrifft, rührte ein 16mm-Film von Jonathan Monk, eine Hommage an
den kürzlich verstorbenen Jack Goldstein, bei Meyer Rieger. An der Grenze
zwischen Experimentalfilm und Kunst ließ Matthias Müller mit seiner Found
Footage ein feinsinniges Puzzle ablaufen (Timothy Taylor).
Im
hochkarätigen Eliteparcours sahen die österreichischen Galerien mit ihren
Künstlern tadellos aus. Samstagabend berichteten sie, entsprechend gut gelaunt,
von Verkaufserfolgen mit Adriana Czernin und Lois Weinberger (Martin Janda),
Markus Schinwald und Lisa Ruyter (Georg Kargl), Erwin Wurm und Frank Thiel
(Krinzinger) sowie von Marcin Maciejowski und Gelatin (Meyer Kainer). Letztere
erfreuten das Publikum mit einem sarkastischen Rückblick auf den Salzburger
Sommer. So eine Geschichte mit Triumphbogen. (DER STANDARD, Printausgabe,
23.10.2003)