Der tschechische Trickfilmregisseur Svankmajer als bildender Künstler

Fabelwunderkammer


Angst, Erotik, Komik bei Jan Svankmajer.

Angst, Erotik, Komik bei Jan Svankmajer.© Athanor Angst, Erotik, Komik bei Jan Svankmajer.© Athanor

In der Kunstszene ist er kaum bekannt, für Cineasten, vor allem Liebhaber des Animationsfilms, stellt Jan Svankmajer jedoch eine feste Bezugsgröße dar. Seinen Kurzfilm "Möglichkeiten des Dialogs" aus dem Jahr 1982 bezeichnete Monty-Python-Regisseur Terry Gilliam einmal als einen der zehn besten Animationsfilme aller Zeiten. Auf Filmemacher wie Tim Burton und Peter Jackson wirkte die Arbeit gar als "Offenbarung".

Kommunikationsverlust und eskalierende Aggressivität sind die Themen dieses Kurzfilms des 1934 in Prag geborenen Jan Svankmajer. Der Allroundkünstler, als den ihn nun die Kunsthalle mit diesem und sechs weiteren Filmen, mit Objekten und Radierungen vorstellt, verarbeitet darin in stilistischer Anspielung an die manieristische Porträtmalerei Arcimboldos seine kindlichen Essstörungen.

Charakteristisch für Svankmajers Filmschaffen entgegen allen filmischen Konventionen ist der Rückgriff auf unterschiedliche Animationstechniken, angefangen bei Stop-Motion, über Clay-Motion bis hin zu Collagen von Fotos und Zeichnungen. Svankmajers filmischen Szenarien liegt stets eine unbehagliche Stimmung zugrunde.

Klaustrophobische Alpträume, tief sitzende Ängste, erotische Elemente, groteske Fantasien aber auch eigensinnige Komik prägen sein Oeuvre, das Anleihen bei den Gruselgeschichten eines Edgar Allan Poe ebenso nimmt wie es Größen des Surrealismus, allen voran Salvador Dali, Luis Bunuel und Max Ernst zitiert. Als exzellenter Genremix zwischen Horror- und Animationsfilm erweisen sich etwa die in Schwarzweiß gedrehten Filme "The Flat" (1968) und der ausstellungstitelstiftende Streifen "The Pendulum, the Pit and Hope" (1983).

Letzterer liest sich wie der ebenfalls auf der diesjährigen Biennale Venedig präsentierte Kurzfilm "The Garden" (1988) als verschlüsselte Kritik am kommunistischen Staatsapparat, der viele von Svankmajers Filmen zensurierte. Edgar Allan Poes Erzählung "The Fall of the House of Usher" (1980) wird in der Adaption des tschechischen Filmemachers hingegen zu einer Studie über menschliche Abwesenheit und Verfallsprozesse. Wenn die Kamera so wie hier über die Gewölbe eines leer stehenden Hauses schweift, dann wird nicht zuletzt Jan Svankmajers Interesse am Material, an der anorganischen Welt, an deren Verfremdungspotenzial deutlich. Gegenstände seien voller Ereignisse, deren Zeugen sie wurden, meinte er einmal und die hier gezeigten Kurzfilme reflektieren diese Faszination.

Trotz des Einsatzes von Schauspielern bildet Svankmajer stets den Dialog der Gegenstände ab. Auch darin spiegelt sich seine ausgewiesen surrealistische Haltung, die auch in den Arbeiten auf Papier und Objekten durchsickert. Aus Skeletten toter Tiere, aus Muscheln, Vogeleiern und Federn formt er merkwürdige Fabelwesen. Wie in den Filmen scheint auch hier tote Materie zum Leben erweckt. Mit seiner als "Natural History" betitelten Reihe von Collagen versieht der Künstler dagegen die Naturgeschichte mit seinen eigenen Regeln.

Jan Svankmajer ist nicht nur im ästhetisch angewandten Sinne Surrealist. Er lebt ihn: Im tschechischen Stankov hat er sich ein Landhaus eingerichtet, das mit unzähligen grotesken Objekten ausgestattet einer Wunderkammer, nein vielmehr einem alchemistischen Labor ähnelt. Denn die Welt, so wie sie sich für ihn darstellt, ist schließlich permanenten Transformationen und Metamorphosen unterworfen.

Ausstellung

Das Kabinett des Jan vankmajer

Das Pendel, die Grube und andere Absonderlichkeiten

Kunsthalle Wien

bis 2. Oktober

www.kunsthallewien.at




URL: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/kunst/?em_cnt=394736&em_loc=77
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