Galerien live
Karaoke für Theoretiker
(cai) Wie macht man Feuer, wenn man kein Feuerzeug, keinen
Flammenwerfer, keinen feuerspeienden Drachen und nicht einmal
Feuersteine verwenden darf? Ganz einfach. Man muss bloß einen
Regenschirm abrupt auf- und abspannen. (Aha, um der Glut Luft
zuzufächeln, damit daraus ein richtiges Feuerchen wird. – Nein.
Außerdem: Wo käme die Glut denn plötzlich her ?) Und
zusätzlich muss man noch mit Zellophan knistern. So tun’s jedenfalls
die Geräuschmacher beim Film. Okay, mit diesen Flammen könnte man
höchstens ein imaginäres Spanferkel braten.
Für Sonia Leimers minimalistische Installation im Login (dem Schaufensterraum der Galerie nächst St. Stephan) braucht man auch
viel Vorstellungsvermögen. Der Fußboden ist eine Mustersammlung von
banalen Bodenbelägen (Beton, Parkett, Kies .. .), und was man damit
anstellen soll, das sagen einem die Anweisungen, die an die Wand
projiziert werden. Den Geräuschmacher soll man also
spielen. Etwa auf dem Beton laufen, als wolle man einen Zug erwischen.
Ach, ist das Ganze so was wie Karaoke? Theoretisch. Praktisch drückt
man sich am Schaufensterglas die Nase platt. Weil man in den Raum nicht
reinkommt.
Na ja, so aufregend wäre es dort drin sowieso nicht. Lieber würd’
ich ja mit einem heulenden Staubsauger Godzilla synchronisieren. Oder
auf einem Gschnas mit einem Packerl Maisstärke auftauchen und dann,
wenn ich es drücke, frech behaupten, ich wäre der knirschende Schnee,
durch den das Mammut Manfred aus "Ice Age" stapft. Gut, das war gemein.
Zwei Stockwerke höher, in der eigentlichen Galerie, gelingt Sonia
Leimer hingegen nix Geringeres, als eine der größten
Weltfluchtfantasien der Menschheit (eine Marsreise) zu einem
unscheinbaren Fetzerl zu komprimieren. Auf ein Stückerl eines Stoffes,
der für die Raumanzüge einer zukünftigen Marsmission entwickelt worden
ist, druckt sie das allererste Foto, das es vom Mars gibt. Geradezu
genial.
Galerie nächst St. Stephan/ Login
(Grünangergasse 1)
Sonia Leimer
Bis 16. Jänner 2010
Mo. – Fr.: 11 – 18 Uhr
Sa.: 11 – 16 Uhr
Das Weihnachtswunder
(cai) Das Christkind ist tot, lang lebe das Christkind! Wieso "tot"?
Wann soll es denn gestorben sein? Am 15. Mai 2009. Ja, vielleicht war
der Paul Flora nicht das echte Christkind und der
Gerersdorfer hat uns bloß genauso konditioniert wie der Pawlow seinen
Hund. Er hat den Flora nämlich so lange immer vor Weihnachten
ausgestellt, bis uns nun beim bloßen Anblick einer Flora-Zeichnung der
Speichel aus dem Mund tropft, weil wir spontan an Vanillekipferln
denken müssen. Traurig ist es schon, dass der traditionelle
Flora-Kalender heuer unsigniert bleibt, doch ansonsten: "The same
procedure as every year." Dasselbe Vergnügen an Floras morbidem
Venedig, den Raben (den primitiven, die noch selber fliegen, und den
zivilisierten) und an den surrealen Absurditäten. Tja, und womöglich
wird man ihn dereinst als die männliche Alice Schwarzer feiern. Die
Frauen sind hier ja eindeutig die dominante Lebensform: Dominas. Diese
Sache mit H ist bei ihnen auch viel größer. Das Hirn? Nein, der
Hintern. (Okay, dieser Satz war ein bissl unfeministisch.)
Galerie Gerersdorfer
(Währinger Straße 12)
Paul Flora
Bis 23. Dezember
Mi. – So.: 11 – 20 Uhr
Im Zuckerlparadies
(cai)Die Bilder von Saeko Takagi appellieren an die niedersten
Instinkte. Ich jedenfalls tät’ sie am liebsten abschlecken wie einen
Lutscher. Das liegt an den appetitlichen, kitschfarbenen
Kunstharzklecksen, die auf gemalten Ästen picken. So stell’ ich mir das
Paradies vor: dass die Zuckerln dort auf den Bäumen wachsen. Freilich
ist meist alles so hemmungslos zugekleckst, als hätte da ein ganzer
Taubenschwarm mitgewirkt ( spezielle Tauben natürlich, die fröhlich bunten Sirup schei ...).
Galerie Frey
(Gluckgasse 3)
Saeko Takagi
Bis 11. Jänner 2010
Mo. – Fr.: 11 – 19 Uhr
Sa.: 10 – 16 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 16. Dezember 2009
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